Mittwoch, Dezember 14, 2005

Ning: Baukasten für Social Apps

Original-URL des Artikels: http://www.golem.de/0510/40861.html Veröffentlicht: 07.10.2005 11:25


Ning: Baukasten für Social Apps
Neues Projekt von Marc Andreessen setzt auf Open-Source-Konzept

Als "Spielplatz" bezeichnen die Gründer Gina Bianchini und Marc Andreessen ihr neues Projekt "Ning", denn damit soll jeder so genannte Social Applications erstellen können - entweder auf Basis von Beispielen oder mit Hilfe eines PHP-APIs. Selbst gemachten Pendants zu "Flickr" und Co steht damit nichts mehr im Wege.

Ning

Bereits im Juni 2005 wurde im Internet über das neue Projekt des Netscape-Mitbegründers Marc Andreessen spekuliert. Zusammen mit Gina Bianchini, gleichzeitig CEO von Ning, wurde nun das Geheimnis gelüftet: Ning ist ein Online-Service - den die Macher als Spielplatz bezeichnen -, um so genannte Social Applications zu erstellen. Diese sollen es jedem ermöglichen, mit anderen Leuten zu kommunizieren oder sich beispielsweise mit ihnen zu messen. Bekannte Beispiele für Social Apps sind die Foto-Community Flickr oder die Seite Hot or Not, auf der man sein Aussehen bewerten lassen kann.

Klonen einer Applikation

Das von Bianchini und Andreessen gegründete Start-up-Unternehmen beschäftigt momentan 14 feste Mitarbeiter - in Zukunft möchte man das Team aber noch erweitern. Die Nutzung von Ning ist kostenfrei und soll es auch bleiben. Dafür finanziert sich Ning unter anderem über Werbung, weshalb man auch keine externe Werbung - wie Google Ads - in mit Ning geschaffene Applikationen einbauen darf. Prinzipiell soll es aber möglich sein, von den Nutzern der eigenen Dienste Geld zu verlangen. Ning selbst soll in Zukunft außerdem mit Premium-Accounts aufwarten. Damit könnten Entwickler mehr Platz für eigene Inhalte bekommen oder auch den eigenen Quellcode vor fremden Blicken schützen. Wenig Speicherplatz gibt es aber ohnehin nicht: Jeder Applikation stehen 1 GByte für öffentliche und 100 MByte für private Inhalte zur Verfügung. Extra Quotas für die Entwickler gibt es nicht.

Quelltext-Ansicht eines Projektes

Registrieren kann sich jeder bei Ning. Um jedoch selbst zu entwickeln, benötigt man einen so genannten "Beta Developer Account", den es zu beantragen gilt. Diese werden von Hand freigeschaltet, um die Last auf den Servern zu reduzieren, so dass es unter Umständen eine Weile dauert, bevor man loslegen kann.

Zentrales Element bei Ning ist die "Ning-Sidebar", die wichtige Elemente vereint. Hierüber erreicht man schnell den Quelltext einer Applikation oder kann sich auf Basis des angezeigten Projektes sein eigenes schaffen. Auch "Ning-Pivot" verbirgt sich hierin und informiert laufend über neue Projekte und Ähnliches, die auf Ning veröffentlicht wurden.

Ning-Datingservice

Hat man erst einmal den Beta-Developer-Status erlangt, bieten sich verschiedene Möglichkeiten, um loszulegen. Welche Variante man wählt, ist hauptsächlich von den eigenen Fähigkeiten abhängig. Wer PHP und HTML beherrscht, wird in Ning weitaus mehr Potenzial entdecken als Anwender, die keinerlei Programmiererfahrung haben. Diese müssen sich damit zufrieden geben, die angebotenen Beispielapplikationen zu klonen. Vorlagen gibt es für alle erdenklichen Social Apps - von der Bookmark-Verwaltung über ein System zur Veröffentlichung von Restaurantkritiken bis zur Partnerbörse.

Dabei setzt Ning auf ein Konzept des offenen Quellcodes. Jeder Entwickler kann sich den Sourcecode der Beispiele anschauen, damit lernen oder ihn in eigenen Projekten verwenden. Selbiges ist auch bei den von Nutzern geschaffenen Applikationen möglich - zumindest, solange es die angekündigten Premium-Accounts noch nicht gibt. Ebenso lässt sich jedes Ning-Projekt klonen. Dabei fragt Ning einige Details ab und leitet einen so schnell zur eigenen Social Application. Zwar gibt es einige witzige Ideen, im Großen und Ganzen sind die Möglichkeiten beim bloßen Klonen aber recht beschränkt.

Wirklich vielfältige Ansatzpunkte bietet Ning PHP-Entwicklern, denen es ein extra API zur Verfügung stellt. Erst damit lassen sich eigene Ideen realisieren, die sich auch deutlich von den vorgegebenen Projekten unterscheiden können - eine ganze Reihe Vorschläge haben die Ning-Macher schon zusammengestellt. Zusätzlich benötigt man "XNHTML", wobei es sich im Prinzip um normales HTML handelt, das um einige Tags erweitert wurde. Wer PHP und HTML beherrscht, wird sich also auch schnell in XNHTML einarbeiten können. Die hinzugekommenen Tags erinnern an Java Server Pages, so dass sich Entwickler mit entsprechendem Hintergrund noch leichter einarbeiten können. Ning-Restaurantführer



Noch steht Ning am Anfang, doch das Angebot an Beispielen ist schon recht breit gefächert. Gerade, wenn in Zukunft neue Applikationen von Nutzern hinzukommen, könnten sich interessante Möglichkeiten für jedermann erschließen - es sei denn, Quelltext und Klonfunktion werden dank Premiumzugang deaktiviert. Ob dabei aber auch der hundertste Flickr-Klon noch Interesse wecken wird, ist eher fraglich. (js)


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Links zum Artikel:
Ning (.com): http://www.ning.com/

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Wieviele Social Applications braucht der Mensch?

Wieviele Social Applications braucht der Mensch?
Social Apps entwickeln sich immer mehr vom Trend zum Hype. Waren es zunächst Flickr, Del.icio.us oder Hot-or-Not, so scheint mittlerweiler jeder darauf zu bauen, eine Online-Anwendung zu kreieren, die vom Miteinander der User lebt. Vor einiger Zeit erblickte nun ning.com das Licht der Welt: Ein "Playground", der nicht nur zahllose Social Apps zur Verfügungen stellen will, sondern auch jedermann und jederfrau erlaubt, eigene Ning-Apps zu entwickeln und der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Ob das funktioniert? ...

Ning kennt zwei Arten von Anwendern: normale User (die Registrierung ist unkompliziert und kostenfrei) sowie Developer. Auch Developer wird man kostenlos, allerdings kann die Freischaltung ein wenig dauern. Ist man "Developer" (besondere Kenntnisse werden dafür erst einmal nicht verlangt), so kann man vor allem bereits bestehende Ning-Apps klonen. Dazu liefert Ning schon mal einfache Nachbauten bekannter Social Apps mit. Das Problem: So entsteht aus einem Flickr-Nachbau ein Flickr-Nachbau-Klon, ein zweiter, ein dritter und schließlich ein dreimillionensiebenhundertzwölftausendachtundvierzigster. Mit ein wenig Engagement schafft es der ambitionierte "Developer" dann vielleicht noch, ein paar Texte, Farben und Layouts anzupassen. Nicht gerade spektakulär - und das größte Problem für Ning in der Zukunft. Was nämlich passiert mit all den Klon-Apps, die eigentlich niemand ernsthaft verwendet?

Ernsthafte Developer können mit Ning durchaus mehr anfangen: Wer fundierte PHP-Kenntnisse hat, kann Ning-Apps beliebig modifizieren ... oder sogar komplett neu entwickeln. Dazu gibt es ein spezielles PHP-API, das zahlreiche Bausteine für die Entwicklung von Social Apps bereitstellt. Dieses Framework wird zudem weiterentwickelt, so dass hier tatsächlich ein Baukastensystem entsteht. Allerdings: Für ernsthafte Programmierer ist Ning wohl wirklich nur als Spielwiese geeignet - schließlich gehen die eigenen Entwicklungen wieder in das Gemeingut über, können wiederum geklont und von anderen modifiziert werden. Künftig sollen irgendwann Premium-Accounts geschaffen werden (dann kostenpflichtig) und damit könnte dann vielleicht ein Developer wirklich von seiner Entwicklung exklusiv profitieren. So ist Ning erst mal wirklich nur ein Spielplatz, auf dem man sich mit einem API für Social Apps ein wenig beschäftigen kann in den langen Winterabenden, die jetzt kommen.

Übrigens: Hinter Ning steht unter anderem Marc Andreessen - was für viel Aufmerksamkeit sorgte - frei nach dem Motto: Wenn Marc Andreessen etwas Neues macht, muss es ja gut sein. Und Ning hat sicher interessante Ansätze. Aber solange das Klonen im Vordergrund steht und niemand die Kontrolle über seine Entwicklungen behalten kann, wird Ning vor allem aus Klonen und Nachbauten bestehen. Echte Social Apps leben aber davon, dass ihre Kreativität, ihr Witz und ihre Eigenständigkeit einen viralen Effekt auslösen - so dass immer mehr Nutzer zu genau dieser Anwendung finden ... und sich die Nutzer nicht auf zahllose Klons verteilen. Klone haben in der Social-App-Welt langfristig keine gute Überlebenschance.


Von Markus Stolpmann am 03.11.2005, 12:51, in eDings live

Web 2.0

http://www.basicthinking.de/blog/2005/11/19/don-092-und-web-20/
http://www.sixtus.net/entry/647_0_1_0_C/
http://www.webcultureblog.de/2005/11/seit_kurzem_luf.html#more
http://sommergut.de/wsommergut/archives/001123.shtml

Was ist eigentlich Web 2.0?

http://empulse.de/archives/2005/08/was_ist_eigentl_1.html



Was ist eigentlich Web 2.0?
Der Begriff "Web 2.0" geistert schon seit fast einem Jahr durch Welt, genauer gesagt seit der Web 2.0 Conference von O'Reilly im Oktober 2004. Hinter Web 2.0 verbergen sich einige alte Bekannte im neuen Gewand aber auch viele neue Ideen, die den Versionssprung rechtfertigen: OpenSource, Interaktion, Social Networks, Collaboration, Desktop Replacement, Personal Publishing...
Doch erstmal der Reihe nach:

Web 0.5

Die Zeit vor dem WWW. Von 1988-1995, also kurz bevor das WWW populär wurde, diente das Internet hauptsächlich der E-Mail und Datenkommunikation.

Web 1.0

Das Web 1.0 ist das Web von 1996. Statisches HTML, reine Einwegkommunikation, klassische Websites.

Web 1.5

Im Web 1.5, entstanden zur Dotcom-Zeit zwischen 1996 und 2001, wurden die Websites dynamisch. Es ging im Wesentlichen um Hits & Eyeballs (Seitenabrufe) und visuelle Ästhethik. Interaktive Websites waren meist Shops, Communities oder Foren und immer Insellösungen, da um User gekämpft wurde. Die verwendeten Technologien waren teuer und speziell (CMS, Community Software, Personalisierung, E-Commerce) und die User hatten nur eingeschränkt die Möglichkeit, eigene Inhalte zu veröffentlichen.

Web 2.0

Im Web 2.0 gewinnen die Grundgedanken des Web wieder an Bedeutung: Offenheit, Standardisierung und Freiheit. Die starke Blogging-Bewegung der letzten Jahre war der Auslöser für diese Entwicklung.
Die Offenheit von Web 2.0 resultiert aus dem Erfolg der OpenSource-Bewegung. Mit OpenSource-Tools lassen sich schnell und einfach Services entwickeln, die noch vor 4 Jahren teure und komplexe Software erfordert hätten. Offene Schnittstellen ermöglichen den leichten Austausch von Daten und Interaktion zwischen unterschiedlichen Systemen. Flickr, das beste aktuelle Web 2.0-Beispiel, ermöglicht über eine API (Application Programming Interface) den Zugriff auf die Applikation von aussen. Dadurch konnten sich viele neue Services entwickeln, die die Daten von Flickr nutzen, was wiederrum Flickr Nutzen und neue User bringt. Die Vorreiter in Sachen API waren, man glaubt es kaum, die großen der Branche: Google, Amazon und eBay. Vereinfacht kann man sagen, dass das "Intel Inside" für Web 2.0 aus den Daten besteht, die gesammelt und zur Verfügung gestellt werden.
Es entstehen aus verschiedenen Services völlig neue Nutzenaspekte, hier ein Beispiel: Ein User beschreibt seinen Arbeitsplatz in Köln über Plazes.com, lädt ein Bild seines Kollegen zu flickr und verknüpft es mit dem Ort. Nach ein paar Minuten kann man bei technorati unter der Suche nach "Köln" nebst vielen Blogeinträgen und Links beides finden, die Beschreibung des Arbeitsplatzes und das Bild vom Kollegen. Und das, obwohl die Daten bei unterschiedliche Services abgelegt wurden.
Standardisierung ist und bleibt der wichtigste Faktor für den Erfolg des Internet. Von Anfang an waren alle technischen Grundlagen des Netzwerks frei für jeden verfügbar. Eine Web 2.0 - Applikation macht Gebrauch von diesen Standards: API-Schnittstellen über XML-Protokolle (REST, XMLRPC, SOAP), XHTML, CSS und RSS sind die wichtigsten.
Der Begriff Freiheit ist vielleicht etwas weit gefasst, trifft aber auf die Möglichkeiten der User einer Web 2.0-Applikation zu. Der User kann mit seinen Daten verfahren wie er will und hat weitreichende Möglichkeiten des "Personal Publishing", also der Veröffentlichung eigener Inhalte. Seien es Blog-Posts, Bilder oder Programme. Web 2.0 - Systeme basieren auf der Mitarbeit der User, die Inhalte erzeugen und die System benutzen um sie verfügbar zu machen.
Ein zusätzlicher Baustein sind die "Social Networks". Unter Social Networks versteht man die Abbildung sozialer Beziehungen zwischen den Usern. Zu Anfang nur Selbstzweck ("6th degree of separation"-Site wie z.B. friendster und orkut) sind solche Social Networks heute da erfolgreich, wo Objekte ("Shared Objects") im Mittelpunkt stehen (z.B. Photos, Blogs, Orte). Aus den Social Networks resultiert daher eine virtuelle Präsenz (Website als Point of presence) der User auf der Website.
Weitere Merkmale von Web 2.0, eher technischer Natur:
Rein Browser-basiert
Multiplatform (PC, Mobile etc.)
Verlagerung von Desktop-Funktionen ins Netz
Starke Interaktivität der Sites durch AJAX
Am User orientiertes Design
Flache Navigation
Kontinuierliche Weiterentwicklung ("Perpetual beta)

Fazit

Web 2.0 wird die Internetnutzung der nächsten Jahre stark beeinflusssen. Gewissermaßen holen sich die User mit Web 2.0 das Web wieder zurück. Ein an den Bedrüfnissen der User ausgerichtetes Web wird den Desktop mehr und mehr ersetzen und die Grenzen zwischen den Medien verschwimmen lassen. Die Verfügbarkeit von Daten, Software und Services ermöglicht es jedem, seinen eigenen Service zu starten (Interessant dazu: The Long Tail), neue Businessmodelle werden entstehen.
Web 2.0 Websites
Technorati
flickr
A9
del.icio.us
furl
Plazes
43 Things
Verwandte Themen
Clay Shirky über Folksonomy
Technorati über Tags
Social Networks (Wikipedia)
Jyri Engeströms Vortrag zur "Object centered sociality" reboot 7
Microformats
Tags:
Von Stefan Kellner (17.08.05 16:15)

Web 2.0: Phantom oder Phänomen?

http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1790308,00.html


Kristina Kaul www.dw-world.de © Deutsche Welle.


Web 2.0: Phantom oder Phänomen? Surfen im "Web 2.0"

Sie gehörten zur New Economy wie das Risikokapital: Typische Hype-Begriffe wie "Community" oder "Interaktivität". Jetzt geistert ein neuer Begriff durch die Online-Welt: Web 2.0. Was steckt dahinter?
Der Tagesablauf eines typischen Web-2.0-Nutzers könnte ungefähr so aussehen: Bevor er das Haus verlässt, lädt er seine Lieblingspodcasts aus dem Netz auf den MP3-Player - frisches auf die Ohren für die U-Bahn. Am Arbeitsplatz lässt er sich per RSS-Feed die neuesten Nachrichten und Einträge aus seinen Lieblingsblogs anzeigen. Seine E-Mail sortiert er schon lange nicht mehr in altmodischen Ordnern, sondern er nutzt den unbegrenzten Speicherplatz und die intuitive Suche von Google-Mail. Bookmarks liegen nicht mehr im Browser, sondern online bei "del.icio.us". Auch seine Dokumente erstellt und verwaltet er nicht mehr lokal mit Word oder Excel, sondern selbstverständlich online über browserbasierte Programme wie Writely.
Zum Nachschlagen reicht das Online-Lexikon Wikipedia, das Restaurant für den Abend findet er über Google-Maps. Dort haben dutzende Internetnutzer schon ihre Lieblingsplätze eingetragen - ihnen vertraut er mehr als den herkömmlichen Restaurantführern. Vor dem Schlafengehen schreibt er noch seine Erlebnisse des Tages in sein Blog und stellt die dazugehörigen Fotos bei Flickr ein.
All das ist Web 2.0 - aber was genau verbirgt sich dahinter? "Web 2.0 ist der Versuch, neue Strömungen im Netz zusammenzufassen und ihnen einen Begriff zu geben", erklärt Florian Rötzer vom Online-Magazin "Telepolis". Tim O'Reilly und Dale Dougherty vom Computer-Fachverlag O'Reilly erfanden den Begriff im Frühjahr 2004. Seitdem hat er sich geradezu inflationär verbreitet. Die Suchmaschine Google spuckt auf eine entsprechende Anfrage etwa 574.000 Einträge allein in deutscher Sprache aus, im gesamten Web sind es mehr als 19 Millionen (Stand: 24.11.2005, vormittags).
Weiterentwicklung oder neue Vollversion?
Die Bezeichnung "2.0" kommt aus der Software-Entwicklung. Kleinere Entwicklungsstufen von Computerprogrammen werden in Zehntelschritten benannt: Der Schritt von Version 1.5 auf Version 1.6 würde beispielsweise nur ein paar Fehlerkorrekturen beinhalten. Der Sprung auf die nächsthöhere Zahl vor dem Komma dagegen kennzeichnet eine grundlegend überarbeitete Version desselben Programms. Doch ist Web 2.0 eine solche grundlegend neue Version des World Wide Web?
Technologien verstärken vorhandene Trends
Der Experte Rötzer ist skeptisch: "Da wird etwas Neues propagiert, ohne dass es wirklich etwas grundsätzlich Neues gibt", sagt der langjährige Beobachter des Internets. "Alles, was mit diesem Begriff beschrieben werden soll, war von vornherein im Internet angelegt." Er räumt aber ein: "Neue Technologien haben bestimmte Trends erleichtert und verstärkt."
Solche Technologien sind beispielsweise RSS-Feeds, Trackbacks oder Permalinks. Sie vereinfachen die Vernetzung einzelner Weblogs zur "Blogosphäre". Ein weiteres Hilfsmittel zum Umgang mit der Masse an Informationen im Web sind so genannte "Tags", frei vergebene Stichworte. Und auch dafür gibt es eine eigene Wortneuschöpfung: "Folksonomy", eine Zusammensetzung aus "Folks" (Leute) und "Taxonomy" (Klassifizierung).
Zum Beispiel bei Flickr, der Blog-Suchmaschine "technorati.com" oder "del.icio.us" verschlagworten die Nutzer ihre Inhalte selbst. Aus den Tags entstehen schließlich so genannte Tag clouds - Wortwolken. Je größer ein Wort dargestellt ist, desto öfter ist es von den Internetnutzern als Tag vergeben worden.
Intuition und Assoziation spielen hier eine entscheidende Rolle. Jedem ordentlichen Bibliothekar müssen sich allein bei dem Gedanken die Fußnägel aufrollen. Ob das System der klassischen Informationsverwaltung tatsächlich überlegen ist, muss sich auf Dauer noch zeigen.
Mehrwert durch Partizipation
Dennoch: Ein wesentlicher Bestandteil des Web 2.0 - Konzepts ist, dass der Mehrwert durch die Partizipation der Nutzer entsteht. Oder anders ausgedrückt: Je mehr Menschen mitmachen, umso besser werden die Ergebnisse. Die "Nutzbarmachung der kollektiven Intelligenz" nennt der Web 2.0-Pionier Tim O'Reilly dieses Phänomen.
Nach dem gleichen Erfolgsrezept funktioniert auch das Online-Lexikon "Wikipedia". Noch lässt die Qualität allerdings teilweise zu wünschen übrig (siehe auch die derzeitige deutschsprachige Version des Eintrags "Web 2.0", Stand: 24.11.2005).
Das Web als Plattform
Wikipedia wird im Netz erweitert und gepflegt und steht beispielhaft für die Idee, das Web als Plattform zu nutzen. Schon gibt es die ersten Büro-Anwendungen wie Writely, mit denen Dokumente ausschließlich über den Webbrowser erstellt und verwaltet werden. Und Google stellt mit GMail einen Webmail-Service bereit, der in punkto Funktionalität nach Meinung vieler seiner Nutzer sogar Mail-Programme wie Outlook hinter sich lässt.
Entsteht eine neue Dotcom-Blase?
Die "Big Player" zeigen inzwischen ein erhebliches Interesse an den kleinen Web 2.0 - Unternehmen. Der Kauf von Flickr durch Yahoo war erst der Anfang, glauben Experten. Schon fühlt sich mancher an die glorreichen 1990er-Jahre erinnert, als alles möglich schien. Rötzer hält sich mit seiner Begeisterung zurück. Auch er kann sich noch gut an die Zeit erinnern - aber auch an das Platzen der Dotcom-Blase nur wenig später. "Von denen, die jetzt das Web 2.0 hypen, waren noch nicht alle damals dabei. Insofern machen mich vielleicht auch das Alter und die Erfahrung etwas zurückhaltender in meiner Euphorie", so der Internet-Veteran. Eine Prognose für die weitere Entwicklung des World Wide Web etwa zu einer "Version 3.0" will er aber erst recht nicht abgeben: Denn er weiß: "Im Netz wird man immer wieder überrascht!"

Mittwoch, Dezember 07, 2005

social_networking

http://www.itfrontal.de/social_networking/
http://www.webcultureblog.de/

Was Social Software mit Ameisen (und Innovation) zu tun hat

von
http://vnude.typepad.com/itfrontal/2004/09/was_social_soft.html

Was Social Software mit Ameisen (und Innovation) zu tun hat
Wer viel im Internet unterwegs ist und nach neuen Dingen Ausschau hält konnte nicht umhin, in den letzten Monaten das Aufkommen einer neuen Art von Software zu sehen: Programme, wie Flickr und del.icio.us (siehe auch hier), die erstens gewisse Jobs, die man früher strikt lokal auf seinem Desktop-PC erledigt hat, sehr elegant auf Online-Services verlagern. Zweitens werden hier Dinge öffentlich getan bzw. gezeigt, die bislang nur im stillen Kämmerlein bzw. auf meiner privaten Festplatte zu sehen waren. In diesem Fall geht es um Fotoalben (bei Flickr) und Bookmarks (bei del.icio.us)
Das mag der eine oder andere für eine beklagenswerte Form modernen Exhibitionismus halten. Gleichzeitig sind diese Plattformen jedoch IMHO unglaublich effektive Ideenverstärker und Leute-Verbinder. Ich gehe davon aus, dass ähnliche Prinzipien - u.a. das so genannte Tagging, abgestufte Zirkel von Privatheit und Öffentlichkeit und Vernetzungen nach dem Friend-of-a-Friend-Prinzip - in Bälde in einer Vielzahl von neuen Software-Experimenten zu finden sein werden und einige davon einen Riesenerfolg haben werden. Auch im Lummaland machte man sich dazu kürzlich ja so seine Gedanken (siehe Sozialdingensweb).
Das "Verbinden von Menschen und Gedanken", das diese Plattform so gut unterstützen, ist nämlich tatsächlich etwas wirklich Neues (ja, auch etwas neues, anderes, als die Socialnetworking-Plattformen a la Friendster, LinkedIn, Orkut oder das deutsche OpenBC), Sie nutzen zugleich ein uraltes Erfolgsprinzip der Natur, das dafür verantwortlich ist, dass das Ganze manchmal mehr (intelligenter, kreativer, effektiver) ist als die Summe seiner Teile, unter Umständen sogar sehr viel mehr: Bottom-up-Organisation, neuerdings "Emergence" genannt.
Was das ist und wozu das gut ist? Dazu muss ich ausholen (was wieder einen Text ergibt, der zu lang ist, um gut am Bildschirm gelesen zu werden, wie Nico zu recht beklagt) ...
Software mit sozialer KomponenteDie gemeinsame Essenz aller dieser neuen Programme mit "sozialer Komponente" ist der Kontakt und Austausch zwischen räumlich oft weit entfernten Menschen und ihren Ideen. Wobei sich diese Kontaktaufnahme bei weitem nicht so plump und direkt wie Socialnetworking-Plattformen a la Friendster, LinkedIn, Orkut oder im deutschen OpenBC entwickelt. Hier wird nicht gebaggert nach dem Motto "Ich suche, sie bieten ... wollen wir nicht einmal zusammen Geschäfte machen/ins Bett gehen?" Stattdessen tue ich einfach etwas, hinterlasse Spuren dabei (hier zum Beispiel Fotos und Bookmarks) und erlaube anderen, diesen Spuren zu folgen. Wobei Flickr sogar schon Möglichkeiten bietet, einzuschränken, wer diese "Anderen" sind; keiner, Familie, Freunde oder "Alle". (Siehe auch Plädoyer für "halb-öffentliche" Weblogs.)
Das führt zu hochinteressanten Entdeckungen - sowohl bei "Zuschauern" als auch bei den Publizierenden. Man sieht, dass andere Menschen ähnliche Interessen haben, nimmt Ideen und Anregungen - vielleicht sogar Kontakt - auf, und eine Beziehung entsteht. Und aus der Kombination des Inputs der verschiedenen Personen entstehen völlig neue Ideen. Ähnlich wie im Umfeld von Weblogs entstehen Meme (Ideen-Gene, siehe Blogs, Social Software und die Evolution der Ideen), die sich rasant ausbreiten.
Die Gruppe ist kreativer und schneller als jedes Individuum. Eine Erkenntnis, auf die schon mal jemand gekommen ist. Aber – und hier liegt der große Unterschied zu der in den meisten von uns tief verwurzelten hierarchischen Auffassung der Zusammenarbeit in einer Gruppe: am effektivsten ist die Zusammenarbeit, am innovativsten (überraschendsten) die Ergebnisse, wenn es keine zentrale Koordination gibt sondern nur einfache Regeln für die Kommunikation zwischen den Individuen. Und, wenn möglichst viele unterschiedliche Menschen zusamen kommen (siehe Wo und wie gute Ideen wirklich entstehen ...). Das ist "Emergence", das Entstehen von etwas Neuem, teils hochkomplexen aus der ungesteuerten Interaktion vieler einfacherer Einheiten/Individuen.
Emergence in der NaturDas ist in der Natur übrigens schon seit einigen hundert Millionen Jahren bewährte Praxis. Es ist ein schon etwas abgelutschtes Beispiel, dass Ameisenkolonien, Bienenschwärme etc. scheinbar intellektuelle Leistungen vollbringen, die den Betrachter vermuten lassen, dass hinter diesem Verhalten Intelligenz weit über der Kapazität eines Insektengehirns oder zumindest eine zentrale Steuerung steckt. Der biologische Laie vermutet diese Steuerung gelegentlich hinter "der Königin" dieser sozialen Insektenstaaten. Die Forschung hat aber schon vor Jahrzehnten ergeben, dass das eine Illusion ist. Auch das Nervensystem einer Insekten-Königin ist für größere Steuerungsaufgaben viel zu klein. Und Kommunikationsmittel, die einen zentralen Organismus mit allen Mitgliedern des Staates verbinden, gibt es nicht.
Tatsächlich sind es sehr simple Steuerungsprinzipien in Zusammenhang mit einer grossen Zahl von Individuen und in der Kombination mit dem allgegenwärtigen Zufall, die das Verhalten erklärbar machen. Die entsprechenden Forschungen sind alle schon einige Jahrzehnte alt. Wer sich einen schönen Überblick darüber verschaffen möchte, lese Steven Johnsons "Emergence". Faaaazinierend. (Zusätzliche Motivation: Es geht nicht nur um Insekten, sondern auch um Städtebau, Softwareentwicklung, Computer-Spiele etc.).
Wer nicht so gerne liest und lieber herumexperimentiert, lade sich das StarLogo-Paket von Mitch Resnick herunter. (Download hier für nahezu alle gebräuchlichen Rechnerplattformen samt Source). Es erlaubt einfache Simulationen, die deutlich machen, wie einige wenige simple Steuerungsregeln und allersimpelste Kommunikation bei einem „Schwarm“ zu scheinbar intelligentem Verhalten und scheinbar effektiver Zentral-Koordination führen.

Dazu nur ein Beispiel: Das linke Bild vor diesem Absatz zeigt die Ausgangssituation am Anfang einer solchen Simulation. In der Mitte ein Ameisenhügel (violett), darum herum (blau) drei Futterquellen in unterschiedlichem Abstand. Das Bild rechts daneben zeigt eine spätere Situation. Die roten Punkte symbolisieren die Ameisen. Die grünen und weißen Flecken sind von den Ameisen abgesonderte Botenstoffe.
Alle Intelligenz in dieser Simulation ist in einem winzigen 60-zeiligen Programm enthalten, dass die einzelnen Ameisen steuert. Jede davon tut nicht mehr, als
zufällig in der Gegend herumrennen
einen Botenstoff absondern, sobald sie Futter gefunden hat
sich mit dem Futter zurück zum Nest zu bewegen
sobald sie den Botenstoff anderer Ameisen "riecht" sich bevorzugt in Richtung stärkerer Konzentrationen zu bewegenDas reicht, um in wenigen Zyklen die typischen Ameisenstrassen entstehen zu lassen und über diese die Futterquellen abzuernten, Um das Verhalten von Bakterien bei der Zusammenklumpung zu größeren Gruppenorganismen zu simulieren, genügen weniger als 50 Zeilen Logo-Code. Um Vögelschwärme synchron fliegen zu lassen, 35 Zeilen. Wohlgemerkt: es handelt sich immer nur um Code, der das Verhalten eines Individuums steuert. Eine zentrale Koordinierung existiert nie.
Mehr ist nicht mehr - Mehr ist anders!Das zeigt sehr deutlich, dass recht komplexes scheinbar zielorientiertes Verhalten möglich ist, wenn sehr simple Einzelkomponenten nach einfachen Regeln miteinander interagieren. Wobei für dieses Verhalten zwei Dinge entscheidend ist: einmal grundsätzlich die Kommunikation in Form des Hinterlassens von Spuren, zweitens die Lebensdauer dieser Spuren (Botenstoffe). Ohne Hinterlassen von Spuren (Kommunikation) kommt es naturgemäß nicht zu "sozialem" Verhalten, also Verhaltensmustern, die über die im einzelnen Individuum enthaltenen Regeln hinausgehen – und die von diesen Regeln allein nicht erklärt werden können. Und je länger und dauerhafter diese Spuren sind, desto schneller bildet sich soziales Verhalten aus, desto komplexer ist das Gruppenverhalten. Dasselbe gilt für die Anzahl der kommunizierenden Individuen. Kommunikation führt fast immer zu Komplexität. Wenn aber mehr Individuen beteiligt sind, entstehen oft ganz andere Formen des Zusammenwirkens. In den oben beschriebenen StarLogo-Simulationen bilden sich unterhalb einer gewissen Anzahl von Individuen oder unterhalb einer gewissen Dauerhaftigkeit der Spuren oft keine klare Struktur oder scheinbar intelligentes Verhalten heraus. Ab einer bestimmten Anzahl "zündet" die Selbstorganisation auf einmal. Und eventuell gibt es bei noch größeren Zahlen auf einmal ganz andere Verhaltensmuster.
Emergence „skaliert“ nicht linear. Sondern bei bestimmten "Sprungstellen" entsteht immer wieder wirklich neues – nicht nur das Selbe in größerem Maßstab. Mehr ist nicht einfach mehr. Mehr ist anders!
Emergence, Innovation und Softwareplattformen mit "sozialer Komponente" Ähnliches passiert auf den "sozialen" Softwareplattformen. Wir hinterlassen Spuren, andere nehmen diese Spuren auf. Unter Umständen sehr viele Andere. Gruppen entstehen spontan, die unter Umständen gemeinsam ein Thema bearbeiten, neue Ideen und Lösungsansätze "anziehen". Diese Gruppen lösen sich unter Umständen wieder auf. Die Mitglieder finden sich neu zu anderen Gruppen zusammen. Und aus der gegenseitigen Befruchtung entstehen neue Formen und Ideen, die eine Person alleine nie – und schon gar nicht mit zielorientierter Steuerung - hätte entwickeln können. Und die verbreiten sich mit der typischen Rasanz webbasierter Meme.
Das ist der wahre Vorteil der neuen sozialen Softwareplattformen (und auch von Weblogs, die ähnliches in thematisch nicht so eng fokussierter Form schon ein paar Jahre länger praktizieren): sie sorgen dafür, dass Anregungen, Ideen, Entdeckungen etc. viel schneller entstehen und zirkulieren. Und sie erlauben das vor allem ohne die Notwendigkeit einer zentralen Steuerungsinstanz.
Das ist nicht nur für das Web als Ganzes interessant. Jedes Unternehmen, das Wissensmanagement verbessern und seine Innovationskraft stärken möchte, täte gut daran, sich diese Prinzipien und die schon existierenden Tools einmal in Ruhe anzusehen. Wer, weiß welche Wirkung es hat, wenn alle im Web aktiven Mitarbeiter ihr Bookmarks gemeinsam verwalten? Oder, wenn die Artikel aus der relevanten Fachpresse von möglichst vielen Mitarbeitern kurz kategorisiert (getaggt) und bewertet werden? Ich weiß nicht, was dann passieren wird. Aber, dass gelegentlich etwas unvorhergesehenes Neues passiert und zumindest gute Ideen sich viel zügiger verbreiten – dessen bin ich mir sicher!
Autor: Markus Breuer, Notizen aus der Provinz
September 28, 2004 in INTERNET, SOCIAL NETWORKING Permalink
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Folgende Weblogs beziehen sich auf den Eintrag Was Social Software mit Ameisen (und Innovation) zu tun hat:
Kommentare
Buchtipp dazu: Steven Johnson, "Emergence: The Connected Lives of Ants, Brains, Cities and Software"http://www.amazon.de/exec/obidos
/ASIN/068486875X/ref=lpr_g_1/302-1170794-9132025

Kommentiert von: Adalbert Duda 15.10.2004 11:39:20

Are You Ready for Social Software?

from
http://www.darwinmag.com/read/050103/social.html

WHAT'S NEW
Are You Ready for Social Software?It's the opposite of project-oriented collaboration tools that places people into groups. Social software supports the desire of individuals to be pulled into groups to achieve goals. And it's coming your way. BY STOWE BOYD
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YEARS AGO, a logic professor beat it into my bony head that Sherlock Holmes had it all wrong when he consistently claimed to use deduction in solving his cases. It turns out he (or better, Arthur Conan Doyle) was using induction, which is, according to Webster's, "the act or process of reasoning from a part to a whole, from particulars to generals, or from the individual to the universal." In working from a paltry collection of clues to a full understanding of the actions and motives of the butler and his victim, Holmes/Doyle was, basically, developing a picture of the universe surrounding the crime from a few hints. The same sort of confusion — the difference between induction and deduction — seems to be at work in the rapidly escalating debate about "social software:" its meaning, relevance and purpose. What is Social Software? People naturally tend to use software as a means to advance personal interests and to interact socially. As a result, the most broadminded consider the "cc:" line on e-mail the starting point of social software; others restrict the term a bit more. In fact, you may be tempted to ask, "what isn't social software?" I believe the phrase social software should be more helpful, and can distinguish software built around one or more of these premises:
Support for conversational interaction between individuals or groups — iincluding real time and "slow time" conversation, like instant messaging and collaborative teamwork spaces, respectively. This is also supported by the interplay always going on in blogs, where one blogger riffs on something another has said, and a third jumps in with more commentary, and the next thing you know, 40 others chime in, and someone suggests creating a groupblog to pursue the theme, whatever it may be. A big freewheeling discussion, with snippets of the interaction spread all over the place.
Support for social feedback — which allows a group to rate the contributions of others, perhaps implicitly, leading to the creation of digital reputation. Digital reputation — also known as karma (from the Slashdot web community model) or whuffie (from Corey Doctorow's science fiction novel, Down and Out In the Magic Kingdom) — will turn out to be an area of great importance. Consider the lengths that eBay sellers go to to maintain a good reputation.
Support for social networks — to explicitly create and manage a digital expression of people's personal relationships, and to help them build new relationships. These usually involve some sort of "six degrees of separation" system. One example is the Friend Of A Friend (FOAF) proposed standard, an XML-based approach to define your interests, phone number, e-mail, and the degree and kind of relationships you have with others, including creating explicit links to their FOAF specifications (which, of course, refer to others' FOAF definitions, and so on). The heady interest in Web-based services like Ryze, Friendster, LinkedIn and others, which are explicitly social (or business) networking systems, is being driven by a growing awareness of the fluidity and flexibility of networking through the Internet. Adina Levin, author of BookBlog, recently suggested that social software could be defined as "tools that depend more on social convention than on software features to facilitate interaction and collaboration." But I think this stops short of what is going on: Social software allows us to create new social groupings and then new sorts of social conventions arise. Kenneth Boulding, the economist, humanist and social scientist, once wrote: "We make our tools, and then they shape us." That is what social software is doing. It is changing the way that we socialize. So What's The Big Deal? On the other hand, social software has aroused the ire of some well-known cyber-culture vultures, such as blogger Dave Winer (the founder of RadioLand, a blog technology company), who recently opined:
Social Software? I've been in the software biz for 2.5 decades, so I've seen this kind of hype over and over. Take something that exists, give it a fancy new name, and then blast at reporters and analysts about it. Every time around the loop it works less well. In the '80s, it worked very well. In the early 21st century, there aren't enough analysts with credibility to make such a pig fly. P2P was the last gasp. I remember getting breathless invitations to keynotes where this or that luminary was going to finally tell us what it is. In the end it wasn't the technology that made a difference, but ironically, the people. Apparently the promoters of Social Software were listening. It's wrong. We don't need this. Weblogs are about punching through the hype machine of idiot analysts and reporters who go for their BS. Social Software has existed for years. What's the big news? A few people are looking for a pole to fly their flag on. Pfui! I disagree with Dave (which isn't unusual), as do others who think the term has legs (or wings). David Weinberger (Darwinmag.com's Swift Kick columnist) has weighed in saying,
First, I consider social software actually to be emergent social software. That narrows the field to software that enables groups to form and organize themselves.... Second, it doesn't much matter to me whether the software is new or old. I'm excited about the fact that that type of software is now being recognized (i.e., "hyped") as important. Social Software: Bottom-up Social software is likely to come to mean the opposite of what groupware and other project- or organization-oriented collaboration tools were intended to be. Social software is based on supporting the desire of individuals to affiliate, their desire to be pulled into groups to achieve their personal goals. Contrast that with the groupware approach to things where people are placed into groups defined organizationally or functionally.
LEARN MORE...Culture of CollaborationThe biggest challenge of getting employees to work together online isn't a technological problem—it's a cultural and organizational one. Social SoftwareIt's the new name for collaborative software. Only this is software with attitude. (From our IDG Enterprise Network partner, NetworkWorldFusion)
One good metaphor is worth a thousand words, so I suggest the following: Social software works bottom-up. People sign up in the system (for example, by downloading an IM client and registering an ID there) and then they affiliate through personal choice and actions (I add you to my buddy list, and you decide to remove me from yours). Traditional software approaches the relationship of people to groups from a top-down fashion. In the corporate setting, its hard to imagine a person existing without being specifically assigned membership to top-down groups: your team, your division, the budget committee and so on. Over time, more sophisticated social software will exploit second and third order information from such affiliations — friends of friends; digital reputation based on level of interaction, rating schemes and the like. And this new software will support David Weinberger's notion of enabling groups to form and self-organize rather than have structure or organization imposed. Blogging is a good example of this dynamic, and perhaps is the primary irritant pushing us today to grope our way towards new terms and tools. The group interactions around blogging arise in many ways: authors post thoughts, others comment and still others add their opinions. Likewise, social software starts with individuals: People start with their own interests, biases and connections, and these become reflected in social relationships, from which a network of groups emerge from the interchange. And the blog developers add more features to blogs to support this group interaction. A contemporary example is the blog concept of Trackback — a means to automatically post at your blog any comments made on other blogs regarding something you have written. Traditional groupware puts the group, the organization or the project first, and individuals second. As a member of a Lotus Notes group, for example, you are provided specific access to specific sorts of information based on the administrator's settings. It's all about control. It's deductive: enforcing the general conditions upon each specific individual. The individual is fractured into a number of unintegrated group personas. The fact that you are involved in other groups, that you have had a long history with others in the groups, etc., is secondary to the fixed purpose of the group, whatever that is. Social software reflects the "juice" that arises from people's personal interactions. It's not about control, it's about co-evolution: people in personal contact, interacting towards their own ends, influencing each other. But there isn't a single clearly defined project, per se. It's a sprawling, tentacled world, where social dealings are inductive, going from the individual, to a group, to many groups and, finally, to the universe. Or at least the itty-bitty universe of all people using the Internet. Why Now? There are hundreds of millions of people connected through the Internet, using all manner of media — real time/transient, slow time/persistent and the various hybrids — to form groups. Online business or personal network systems like Ryze, Friendster, Meetup and LinkedIn are exploding in use, often adding tens of thousands of new users every week, because they provide the key elements of social software: conversational interaction, social feedback leading to digital reputation and explicit representation of "equaintance," as blogger Gary Turner styles digital relationships. The answer to nearly all "why now?" questions is technology and money, and that is true here. The availability of low-cost, high bandwidth tools like blogs or systems like Ryze, when coupled with the critical mass of millions of self-motivated, gregarious and eager users of the Internet, means social software is certain to make it onto "the next big thing" list. Investment groups are eager to find a successful business model in social software, and I am certain that there are many to be discovered in each of the three key areas that define social software. Despite the wet blankets and the naysayers, we are witnessing the appearance of a new crop of inductive, bottom-up social software that lets individuals network in what may appear to be crude approximations of meatworld social systems, but which actually are a better way to form groups and work them. Perhaps just as interesting as the way that social software is transforming group interaction — across different time zones or in the same room — social software is destined to have a huge impact on how businesses get at their markets. So the essential elements of social software will be incorporated into more conventional software solutions, changing the way collaboration and communication is managed within and across businesses, and ultimately transforming how companies sell and interact with customers.
Stowe Boyd is managing director of A Working Model, a strategy and technology consulting firm focused on the emerging world of the real-time enterprise. His writings can be found at Get Real. He recently completed a report on the real time enterprise for the Cutter Consortium, and is at work on a book on the same topic. Contact him at stoweboyd@aworkingmodel.com. Are you ready to use social software?

Soziale Revolution im Netz

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Technologie > Zukunftsatlas Internet Social Software
HANDELSBLATT, Montag, 11. Juli 2005, 09:00 Uhr
Wie Blogs, Flickr und Co. das Internet verändern
Soziale Revolution im Netz
Von Nils Elbert, Anne Röhling, Michael Lohbusch, Bernd Hofmann, Michael Smith und Anne-Mareike Homfeld
Einzelkämpfer im Internet gehören zu einer aussterbenden Art. Social Software und ihre User machen aus dem Internet ein soziales Netz. Das Motto lautet: „Gemeinsam sind wir stark!“

DAMSTADT. Das Internet erfindet sich immer wieder neu, Stillstand ausgeschlossen. Wer wie Fußballer Michael Ballack in einer bekannten TV-Werbung nur „am Surfen“ ist, bleibt schnell auf der Datenstrecke liegen. Denn die neuste Entwicklungsphase sozialisiert das Netz: So genannte „Social Software“ erzeugt immer größere private und geschäftliche Netzwerke, die eine Mediengewohnheit gar nicht vertragen: Passivität.
Was ist Social Software?
Das Angebot der Social Software ist so facettenreich, dass sich selbst Experten und Benutzer nicht auf eine Definition einigen können. Internetvordenker Clay Shirkey erklärte den Begriff als „Software, die Gruppeninteraktion unterstützt“. Stefan Mosel, erfahrener Internetanwender und Blogger, verdeutlicht in unserem Interview: „Social Software beinhaltet Fotosharing, Social Bookmarks, Weblogs, Wikis (Wikipedia) und Social Networking wie openBC (Open Business Club).“
Fotodienste wie Flickr oder das personalisierte Internetradio Last.fm haben auf den ersten Blick mit Weblogs oder Karrierenetzwerken wie openBC wenig gemein. Doch alle Dienste haben eine bedeutende Gemeinsamkeit: Das Engagement vieler Einzelpersonen garantiert den Erfolg der Angebote.
Diese Erfolge sind nicht unbemerkt geblieben und haben längst das Interesse von Internet-Größen wie Yahoo! oder Google geweckt. So verfügt Yahoo! schon seit längerem über den personalisierten Radiodienst Launchcast und sicherte sich im März diesen Jahres die Online-Foto-Community Flickr und somit auch das kreative Potential der Entwicklerfirma Ludicorp.
Zwei Monate später startete Yahoo! mit My Web 2.0 eine stark überarbeite Version des hauseigenen Bookmark Service und auch Google reihte mit dem mobilen Freundschaftsdienst dodgeball.com einen weiteren Dienst in sein Angebot ein. Dodgeball hilft überwiegend jungen Mitgliedern in 22 Städten der USA dabei, mittels Handy Kontakte untereinander zu knüpfen. Im vergangenen Jahr hatte Google mit Orkut.com bereits einen ähnlichen Dienst erworben.
Nicht nur die jüngsten Erfolge der Produkte könnten hierbei eine Rolle spielen, sondern auch deren Entwicklungspotential. Mit den neu gewonnenen Ressourcen könnten Google und Co. verschiedene, bisher getrennte, Social Software Dienste komplett in ihr Angebot integrieren und ein zusätzliches Geschäftsfeld abdecken. Lesen Sie weiter auf Seite 2: Schwarmbildung -->
Schwarmbildung
Innerhalb der bestehenden Dienste finden sich inzwischen immer mehr Interessengruppen zusammen. Sie mögen ähnliche Bilder, hören die gleiche Musik oder beschäftigen sich mit denselben Themen. Beim Internet-Radiosender Last.fm haben sich fast 20 000 Nutzergruppen gebildet, sie organisieren sich nach der gemeinsamen Musikrichtung oder sogar dem Lieblings-Media-Player.
Auch unter Bloggern bilden sich Netzwerke. Wer in anderen Weblogs Artikel zu interessanten Themen findet, kann diese in eigenen Beiträgen verlinken und der Autor des ursprünglichen Textes wird mit Hilfe des so genannten Trackback-Verfahrens automatisch über die Verknüpfung benachrichtigt. So entsteht ein Recherchenetz aus Artikeln und Kommentaren, das sich über unterschiedliche Blogs erstreckt.
Bei Social Bookmark Diensten, wie del.icio.us oder furl.net, sammeln die Nutzer gemeinsam Lesezeichen und legen sie unter frei wählbaren Schlagworten ab. Dadurch entstehen immense Linklisten zu verschiedensten Themen, die für alle Websurfer zugänglich sind. Die Fütterung der Datenbank geschieht rund um die Welt, rund um die Uhr.
Am deutlichsten wird diese effiziente „Schwarmbildung“ bei Wikis wie zum Beispiel der legendären offenen Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“. Das Prinzip ist einfach, jeder kann jeden Wissensbeitrag editieren oder einen neuen Eintrag anlegen. Sobald ein „Wikipedianer“ ein neues Thema erschlossen hat, wird es von der Gemeinschaft gepflegt. Die zusammengetragenen Informationen ergeben ein mächtiges Wissensportal, das weltweit von unzähligen Freizeit-Redakteuren betreut wird.
Bei den Karriere- und Freundschaftsnetzwerken, wie Orkut oder openBC, ist die Vernetzung von Personen Grundlage der Dienste. Hier dreht sich alles um Kontakte und deren Verknüpfen zu einem großen Bekanntenkreis.Lesen Sie weiter auf Seite 3: Angebot kontrolliert sich selbst -->
Das Angebot kontrolliert sich selbst
Wo viele Einzelpersonen selbstständig mitmischen, ist die Missbrauchsgefahr groß. Trotzdem kontrollieren sich die Dienste weitgehend selbst, so werden bei Wikipedia falsche Angaben innerhalb von wenigen Stunden von aufmerksamen Nutzern korrigiert. Auch Falscheinträge in Blogs, wie im letzten Jahr die Kommentare der Jamba-Mitarbeiter im Spreeblick-Blog (www.spreeblick.com/blog/index.php?p=324) wurden innerhalb kurzer Zeit entlarvt.
Dienste vernetzen sich
Nicht nur User sind untereinander vernetzt, auch erste Dienste greifen auf gemeinsame Ressourcen zu. Bilder von flickr.com und Podcasts, Special Interest Radiosendungen, die jedermann zuhause aufnehmen kann, lassen sich schnell und problemlos in Weblogs einbinden. Dadurch haben sich z. B. das private Wissensportal „Wanhoffs Wunderbare Welt“ (wissenschaft.wanhoff.de) oder sushiradio.de mit Themen rund um Kochen und Musik etabliert.
Dies sind jedoch Ausnahmen, die meisten Dienste sind bisher nicht untereinander vernetzt. „Es braucht einen festen Standard zwischen den verschiedenen Software-Typen“, bemängelt der Leiter des Zentrums für Neue Medien an der Donau-Universität Krems Thomas N. Burg. Fehlende Import- und Exportmöglichkeiten zeugten noch von der Unausgereiftheit der verwendeten Software.
RSS reguliert die Informationsflut
Harmonieren die einzelnen Softwaretypen untereinander noch eher schlecht, so hat sich zumindest ein Standard bereits verbreitet. So genannte RSS- oder News-Feeds kanalisieren die Informationen, liefern sie direkt auf den Desktop und erübrigen das tägliche Ansurfen im Internet-Browser. Wer die Feeds seiner Lieblingsseiten auf diese Weise abonniert, der weiß sofort, wann welche Einträge oder Bookmarks erscheinen, ohne einen Blick auf die zugehörige Seite zu werfen.
Bei del.icio.us kann zu jedem Schlagwort ein RSS-Feed abonniert werden. Legt beispielsweise jemand eine neue Seite mit dem Schlagwort „Money“ in seiner Linkliste ab, erkennt das System den Eintrag und informiert sofort alle Abonnenten des RSS-Feeds „Money“.
„Schon heute muss einem z. B. ein Journalist oder PR-Manager, der zu seinem Arbeitsgebiet die einschlägigen Weblogs nicht kennt, oder der noch nie von der Möglichkeit gehört hat, sich über automatisierte und maßgeschneiderte Nachrichtenfeeds auf dem Laufenden zu halten, antiquiert erscheinen“, analysiert Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, Dozent an der FH Darmstadt, die aktuelle Entwicklung.Lesen Sie weiter auf Seite 4: Tags – die neuen Wegweiser -->
Tags – die neuen Wegweiser
Um eine Orientierung im Dschungel der Millionen von Einzelbeiträgen zu ermöglichen, hat es sich eingebürgert, diese mit so genanntent „Tags“, also Stichworten, zu versehen. Anders als bei herkömmlicher Verschlagwortung, wie sie etwa in Bibliotheken üblich ist, kennt Social Software jedoch keine vorgegebenen Stichwortkataloge. Es bleibt jedem selbst überlassen, welche Begriffe sie verwenden Daraus resultiert ein unendliches, offenes System aus Stichworten, die so genannte Folksonomy.
Tagging gibt es mittlerweile bei vielen Social Software Diensten, wie zum Beispiel del.icio.us oder flickr.com. Das Projekt structuredblogging.org versucht, Weblog-Beiträgen Struktur beizubringen, damit Blog-Suchmaschinen wie Technorati.com zum Beispiel Filmkritiken eindeutig von politischen Debatten unterscheiden können.
Das Netz weiß, was User wollen
Doch in manchen Fällen muss der Nutzer nicht einmal wissen, was er sucht. Denn es existieren Webtechniken, die sich ausrechnen, was ihm gefallen könnte – basierend auf seinem bisherigen Surf-, Such- oder Kaufverhalten. Solche Techniken werden Kollaborative Filter genannt.
Derartige Empfehlungssysteme kennen Web-Surfer vom Internetbuchhändler Amazon: „Leute die dieses Buch gekauft haben“, denen könnte auch jenes gefallen. Das gleiche Prinzip verwendet der Radiosender last.fm, um seinen Hörern neue oder unbekannte Musik zu empfehlen. In deren Nutzerprofil steht zunächst, was sie gerne hören, und last.fm stellt aus diesen Informationen einen personalisierten Radiostream zusammen. Ergänzend dazu filtert der Radiosender jedoch auch die Bands heraus, die zum eigenen Musikgeschmack passen, aber in der Wiedergabeliste fehlen. Besonders weniger bekannte Bands profitieren davon, denn sie erhalten eine Plattform und werden bei einem Publikum beworben, das den passenden Musikgeschmack aufweist.
Chris Anderson, Chef-Redakteur des Wired Magazins, erkennt in seinem viel beachteten Artikel „A Long Tail“ (Wired 12/10/04) einen Wandel in der Unterhaltungsindustrie. Die Analyse der digitalen Nutzerprofile werde den Massenmarkt des 21. Jahrhunderts verändern, argumentiert Anderson. Künftig stünden nicht mehr allein jene vorgefertigten Hits auf den Vermarktungslisten, die jetzt noch mit gewaltigem Promotion-Aufwand auf den Markt gedrückt werden und die Regale der Händler blockieren. Durch die Empfehlungssysteme bekämen vielmehr auch jene Nischenprodukte ein Chance, denen bislang eine erkennbar rentable Zielgruppe fehlte.Lesen Sie weiter auf Seite 5: Persönliche Daten sind die Währung im Netz -->
Der Deal – Persönliche Daten sind die Währung im Netz
Bei der Verwendung von Social-Software-Diensten werden zwangsläufig Informationen der Benutzer gesammelt. Sei es der Musikgeschmack, die öffentliche Präsentation der Fotos auf Flickr oder die eigenen Angaben über Hobbys in einem der Freundschaftsnetzwerke. Selbst die abgelegten Lesezeichen bei del.icio.us repräsentieren einen Ausschnitt des Surfverhaltens. Jeder einzelne muss sich bewusst sein, welche Daten er ins Netz stellt und welche Zielgruppen diese einsehen können.
Dies könnte in einer weiteren Entwicklung durch die soziale Software selbst unterstützt werden. Bei der Fotocommunity Flickr etwa kann der Teilnehmer bereits seine Fotos unterschiedlichen Nutzergruppen zuordnen. Die Bilder in den Gruppen Family und Friends sind nur für ein autorisiertes Publikum einsehbar. Fotos im öffentlichen Bereich hingegen sind für jeden über das Profil oder die Suchmaschine zugänglich.
Wer die Weiterverwendung seiner Inhalte reglementieren möchte, kann diese unter die Creative Commons Lizenz stellen. Dahinter verbirgt sich eine sehr variable Lizenzstruktur, die sich besonders gut für nutzergenerierte Inhalte eignet.
Wie sozial wird das Netz?
Die Akzeptanz der Dienste wird weiter zunehmen. Mobile Geräte mit den nötigen Bandbreiten könnten bald Weblogs von überall erreichbar machen. Schon heute kann jeder mit seinem Fotohandy Schnappschüsse direkt auf seinen Flickr-Account schicken oder sein MobBlog (Mobile Blog) aktualisieren. Je mehr Leute den Weg in die Welt der Social Software finden, desto attraktiver ist deren Mehrwert. Dem werden sich wohl die Wenigsten gänzlich verschließen.
Michael Ballack hat es mittlerweile in die neue Internetwelt geschafft – wenn auch nur indirekt: Bei Flickr.com ist er unter dem Suchbegriff „Ballack“ gleich vier Mal zu sehen.

Zukunftsatlas Internet Social Software

von HANDELSBLATT
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Technologie > Zukunftsatlas Internet Social Software
HANDELSBLATT, Montag, 11. Juli 2005, 09:45 Uhr
Zukunftsatlas Internet
Social Software: Was die einzelnen Dienste leisten
Von Nils Elbert, Anne Röhling, Michael Lohbusch, Bernd Hofmann, Michael Smith und Anne-Mareike Homfeld
Interessen verbinden Menschen. Internet-Angebote wie Flickr, del.icio.us, last.fm und Co. helfen dabei. Doch welcher dieser „sozialen Dienste“ kann was?

DARMSTADT. Die Leistungen von Social Software sind vielfältig. Menschen erfahren plötzlich Dinge über Andere, die sonst im Verborgenen geblieben wären. Sie interagieren im Netz und hinterlassen Spuren. Wo man diesen Fährten nachgehen kann stellen wir im Folgenden anhand einzelner Beispiele vor: vom Bilder-Paradies Flickr.com über das Radio, das jedem gefällt, bis hin zur Kontaktbörse für Geschäftsmenschen.
del.icio.us, Furl & Co - Social Bookmarks
Bookmark Dienste wie del.cio.us, Furl und Co. gehören zu den ersten Social Software Angeboten. Einmal angemeldet, können Nutzer dort Bookmarks ablegen, mit Schlagworten versehen und kategorisieren. Die Lesezeichen werden mit anderen Anwendern geteilt und sind von jedem Rechner mit Internetanschluss erreichbar. Jedem Link können Schlagworte zugeordnet werden, dadurch entstehen riesige Linksammlungen, die von zahlreichen Nutzern zusammengetragen werden.
Weitere Social-Software-Dienste:
» Flickr.com – Die Welt in Bildern
» Last.fm & Audioscrobbler – Intelligentes Radio
» OpenBc – Kontaktbörse für Geschäftsleute
» Podcasts – Radiobeiträge aus dem Internet
» RSS – Der Leim, der alles zusammenhält
» Wikis – Kollektiver Wissensspeicher
-->
Als die Dienste noch in den Kinderschuhen steckten, konnten dort nur Links gesammelt werden. Heute speichern zum Beispiel Yahoos MyWeb 2.0 oder Spurl.net ganze Kopien einer Webseite und ermöglichen eine Recherche auch dann, wenn die Seite hinter dem Lesezeichen schon vom Netz genommen wurde.
Auf » del.icio.us und » Furl.net können die Bookmarks als Liste oder „Cloud“ - eine Wolke aus Wörtern, bei der die am häufigsten verwendeten Tags hervorgehoben sind - geordnet werden. Bei Spurl.net kann der Nutzer zusätzlich eigene Kategorien für seine Lesezeichen definieren. Spurl kann außerdem in den Internetbrowser integriert werden, so dass eine extra Favoriten-Leiste die Spurl-Kategorien anzeigt.
Mittlerweile gibt es unzählige Variationen, wie Lesezeichen und Seiten abgelegt, geordnet und angezeigt werden können. Beispielsweise generiert die Webseite » maps.pietrosperoni.it/delicious/makemap.html aus den Lesezeichen eines del.icio.us Profils eine Mindmap. Lesen Sie weiter auf Seite 2: Die Welt in Bildern -->
Flickr.com – Die Welt in Bildern
Zeigt Euch Eure Welt – so könnte das Motto von » Flickr.com lauten. Die Foto-Community boomt. Das Foto-Sharing-System, entwickelt von Ludicorp aus Vancouver, Kanada, und 2005 von Yahoo gekauft, hat eine sehr hohe soziale und inhaltliche Vernetzungsdichte. Tausende Menschen können sich gegenseitig ihre Fotos zeigen: vom kunstvollen Stillleben bis hin zu Tante Friedas Geburtstagsparty. Dabei sind die Möglichkeiten, die Bilder ins Schaufenster Flickr zu hängen, vielfältig. Angefangen vom flickr-eigenen Upload-Tool für den eigenen Desktop bis hin zum Hochladen per Foto-Handy oder Email, die Community ist dadurch in der Lage jederzeit, an fast jedem Ort der Welt, Bilder ins Netz zu stellen.
Die Benutzeroberfläche ist simpel und selbsterklärend. So wird es auch Internetlaien einfach gemacht, ihre Fotos zu veröffentlichen. Aber „nicht jeder muss wissen wie meine Oma aussieht“, sagt Stephan Mosel, Flickr-Nutzer seit 2004. Auch dafür hat der Fotodienst eine Lösung parat: der Nutzer kann mit wenigen Schritten den Zugriff auf seine Bilder auf seine Freunde oder die Familie einschränken.
Viele nutzen Flickr als Fotoarchiv, denn mit Hilfe einer einfachen Verschlagwortung der Bilder, dem so genannten „Tagging“, können Fotos jederzeit wieder gefunden werden. Und bei der Suche nach Tags stößt man auf Menschen mit denselben Interessen. Daraus entstehen Kontakte und schließlich Gruppen, beispielsweise zu Schlagworten wie „Berlin“ oder „asiatisches Essen“, in die nur thematisch passende Bilder gestellt werden. Ein großes Bilderbuch entsteht, mit dem sich die ganze Welt virtuell bereisen lässt.
Last.fm & Audioscrobbler – Intelligentes Radio
Das Online-Radio » Last.fm kennt den Musikgeschmack seiner Hörer und bietet jedem Nutzer ein individuelles Radioprogramm an. Doch woher weiß Last.fm, was sein Publikum gerne hört? Dazu verwendet die Radiostation Profile des Webprojekts » audioscrobbler.com. Ähnlich wie bei Yahoos Internetradio Launchcast, das außerhalb der USA leider nur begrenzt genutzt werden darf, kann der Nutzer die ihm über das Radio zugespielte Musik ständig bewerten.
Ein Plugin für den heimischen Player protokolliert zusätzlich auch andere Musiktitel, die auf dem Computer gespielt werden. Dieses Profil nutzt Last.fm, um persönliche Radiostreams anzubieten. So kann man auch im Büro oder unterwegs die Musik hören, die zu Hause auf der Festplatte oder im CD-Regal liegt. Dabei werden keine MP3s übertragen, lediglich Trackname, Album und Interpret. Jeder, der ein solches Plugin verwendet, kann auf audioscrobbler sein Hörverhalten analysieren. Dort finden sich Statistiken, wie oft welche Band gehört wurde oder welcher Track diese Woche am häufigsten in der Playlist stand. Das System nutzt diese Statistiken, um andere Benutzer mit ähnlichem Musikgeschmack zu finden und erstellt individuelle Musikempfehlungen. Die Software bewirbt so zusätzlich auch neue und/oder unbekannte Interpreten, die gezielt jenen Hörern empfohlen werden, die ein passendes Musikprofil aufweisen. Zu den gespielten Tracks werden auch das Albumcover und zusätzliche Informationen zu den Interpreten eingeblendet.Lesen Sie weiter auf Seite 3: Kontaktbörse für Geschäftsleute -->
OpenBc – Kontaktbörse für Geschäftsleute
Manager, die nicht mehr auf langweilige Empfänge oder Geschäftsessen angewiesen sind? OpenBc (Open Business Club) ist die Antwort auf die alt gedienten und zeitintensiven Formen der Geschäftskontaktpflege. Im November 2003 ging die Business-Kontaktbörse an den Start, inzwischen vertrauen nach eigenen Angaben mehr als 350 000 Mitglieder im deutschsprachigen Raum auf die Dienste des weltweit operierenden Hamburger Dienstes.
Nach der etwa fünfminütigen Anmeldung und wenigen persönlichen Einstellungen sind die ersten Ansprechpartner aus der Branche nicht weit. Ohne die Premium-Mitgliedschaft zum Preis von knapp sechs Euro sind jedoch nur wenige Suchfunktionen frei geschaltet. Außerdem ist der Import von Adressdaten aus Outlook ausgeschlossen und die Kommunikation zu interessanten Gesprächspartnern auf der Trefferliste eingeschränkt.
Trotzdem funktioniert das Schneeballsystem: Freunde laden Geschäftspartner oder Kollegen ein, die wieder Freunde oder Kunden einladen. Oft treffen sich so alte Arbeitskollegen und Geschäftsleute wieder. Neue Aufträge, Infos über zukünftige Businesspartner oder neue Mitarbeiter – alles hält openBC bereit. Nutzer erfahren hier von potenziellen Kontakten, die ihnen in der Realität verborgen geblieben wären. Wer jedoch allzu plump versucht, Kontakt aufzunehmen, wird nicht weit kommen, die Etikette spielt eine große Rolle in openBC. User tauschen sich nicht nur über den Job und Management, sondern auch über private Dinge aus. Es wird einander geholfen und empfohlen. Business im sozialen Netz, hier ist es Realität.
Podcasts – Radiobeiträge aus dem Internet
Keine Lust mehr auf sinnfreie Berieselung, Sie sind auf der Suche nach hörbaren Informationen und besonderer Musik? Mit Podcasts lässt sich ein ganz persönliches Radioprogramm zusammenstellen. Die Wortkreation Podcast setzt sich zusammen aus den Wörtern „Ipod“, die Bezeichnung für den MP3-Player des Computerherstellers „apple“ und Broadcasting, was soviel wie „Senden“ bedeutet.
Das Prinzip: Aus dem Web können radioähnliche Beiträge herunter geladen und direkt auf dem „Ipod“ oder jedem anderen MP3-Player gespeichert werden. Meist kann man die Beiträge auch abonnieren: eine spezielle Software, die kostenfrei zum Download bereit steht, durchforstet dann automatisch das Netz nach aktuellen Beiträgen und kann diese auf den PC, beziehungsweise das Abspielgerät, herunterladen.
Das Spektrum reicht von Hörbüchern, privat produzierten Wissenschaftssendungen bis hin zu Musik-Specials. In den USA sollen bereits Millionen von Nutzern solche Podcasts gehört haben. In der Bundesrepublik ist die Auswahl jedoch noch sehr überschaubar. Vorreiter sind hierzulande Seiten wie » www.sushiradio.de, die nach eigener Aussage „feine Häppchen für die Ohren“ anbieten, vom Reisebericht aus Japan bis hin zu Features über junge Bands. Da die Werkzeuge, die man braucht, um Podcasts zu produzieren, leicht zu bedienen und erschwinglich sind, könnte sich in Zukunft eine vielfältigere Auswahl entwickeln.
Ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Radioprogrammen: Gefällt etwa die Moderation nicht, wird einfach vorgespult.Lesen Sie weiter auf Seite 4: Leim, der alles zusammenhält -->
RSS – Der Leim, der alles zusammenhält
Informationen gibt es im Internet ohne Ende. Wie Pilze schießen jeden Tag neue Online-Angebote aus dem Boden. Wie soll der normale User bei einer solchen Informationsflut noch den Überblick behalten? Schließlich ist es fast unmöglich, jeden Tag alle interessanten Websites zu besuchen. RSS heißt die Zauberformel. Das Dateiformat ermöglicht es, Nachrichten jeder Art auszutauschen.
Die Abkürzung RSS steht wahlweise für „Really Simple Syndication“ oder für „RichSite Summary“. Mit Hilfe des auf XML basierenden Formates lassen sich Nachrichten oder Website-Inhalte schnell und einfach übertragen. Losgelöst von Grafik und Design können RSS-Dateien plattformunabhängig gelesen und weiterverarbeitet werden. Immer häufiger findet man deshalb auf Webseiten kleine orangefarbene Icons, auf denen „XML“ oder „RSS“ steht. Mit einem Klick auf den Button lässt sich ganz unkompliziert ein so genannter „Newsfeed“ von einer interessanten Seite abonnieren. Auch Handelsblatt.de, tagesschau.de oder Spiegel Online bieten diesen Service bereits an.
Nötig zum auslesen der Daten sind allerdings nützliche kleine Helferprogramme mit klangvollen Namen wie Sage, Newsbee oder Thunderbird. Mit Hilfe dieser Reader lassen sich die Newsfeeds ansehen. Für den Nutzer liegen die Vorteile klar auf der Hand: Durch die Automatisierung muss er nicht mehr alle Seiten einzeln besuchen. Wie im Mailprogramm lassen sich Neuzugänge mit einem Blick identifizieren. Änderungen und aktuelle Inhalte lassen sich schnell prüfen, ohne die Site mit Grafik, Banner und anderen Elementen laden zu müssen.
Wikis – Kollektiver Wissensspeicher
„Eine einzelne Gehirnzelle kann nur wenig erreichen, Millionen miteinander verknüpft bilden ein riesiges Wissensnetz“, sagt Ronaldo, regelmäßiger Autor der offenen Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Wikis wie die Wikipedia sind Ansammlungen nach Themen sortierter Webseiten. Jeder Besucher kann zu jeder Zeit einzelne Beiträge online über ein einfaches Formular bearbeiten, ergänzen oder neue erstellen.
Das erste Wiki wurde 1995 von Ward Cunningham programmiert. Er nannte es WikiWikiWeb, abgeleitet von dem hawaiianischen Wort für „schnell“. Mittlerweile werden sie vielseitig eingesetzt: An Universitäten, in Unternehmen oder als allgemeines Wissensmanagement-Tool für Jedermann. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die schon erwähnte freie Enzyklopädie Wikipedia. Mit mehr als einer Million Beiträgen in rund 100 Sprachen ist sie mit Abstand das größte Wiki der Welt.
Auch fachspezifische Wiki-Communities finden großen Anklang. So werden zum Beispiel im Jura-Wiki rechtliche Themen diskutiert, im Linux-Wiki geht es hauptsächlich um Linux, freie Software und andere computerrelevante Themen. Wikis basieren auf einer neuen Form von Content-Management-Systemen. Damit auch Computer-Laien ohne HTML-Kenntnisse Beiträge einpflegen können, entwickelte Cunningham eine vereinfachte Syntax, die von der Wiki-Software in HTML umgewandelt wird. Zwar sind Wikis dadurch einfach zu bedienen und unabhängig von Raum und Zeit, jedoch besteht aufgrund eben dieser Offenheit die Gefahr des Vandalismus – destruktiven Änderungen einer Wiki-Seite. Dennoch leisten sie einen großen Beitrag für die Bildung und eröffnen völlig neue Wege der Kommunikation und des Wissensmanagements.

Die Humanisierung des Netzes

von http://www.zeit.de/2005/35/C-Humannetz

Internet
Die Humanisierung des Netzes
Der Mensch kehrt sein Innerstes nach außen – falls er die Software beherrscht
Von Mario Sixtus
Für alteingesessene Netznutzer ist Nachsitzen angesagt. Eine E-Mail-Adresse zu besitzen und unfallfrei einen Web-Browser bedienen zu können genügt nicht mehr, um »drin« zu sein. »Social Software«, soziale Dienste und Anwendungen, verändern das Internet gerade gewaltig. Auch viele Zeitgenossen, die sich im Grunde ihres Herzens für Netz-affin halten, verpassen den Anschluss – und wissen es selbst nicht einmal. »Es entsteht gerade eine riesige Kluft. Wer jetzt nicht dabei ist, dem entgehen wesentliche Möglichkeiten«, befürchtet Thomas Burg. Der Wissenschaftler leitet das Institut für Neue Medien an der Donau-Universität Krems. Er warnt angesichts des behäbigen Verhaltens der Internet-Nutzer im deutschsprachigen Raum vor einer »Digitalen Spaltung zweiter Ordnung«.
Medienforscher wie Burg beobachten eine Umwälzung, die jeder, der sich nur mit den bunten Frontseiten des World Wide Web begnügt, soeben verschläft. Ein dichtes Geflecht von Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, die den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, wächst da heran – sozusagen ein Netz im Netz. Menschen teilen darin Faktenwissen und Expertentipps ebenso wie ihre Fotosammlungen und Musikvorlieben. Und im Unterschied zu früher versteckt sich hier keiner mehr hinter Decknamen, niemand hantiert mehr folgenlos im luftleeren Raum, die virtuelle Welt ist realer geworden. Die Akteure treten auf wie im echten Leben, lernen einander kennen, knüpfen private und berufliche Kontakte. Sie bahnen Geschäfte an, planen Projekte oder schachern sich gegenseitig Arbeitsplätze zu. Wer von Social Software profitieren will, muss allerdings selbst aktiv werden. Anders als die Klüngelclubs und Seilschaften vergangener Zeiten stehen die neuen Netzwerke jedem offen. Den Techniken, die dabei angewandt werden, räumt Thomas Burg ein enormes Potenzial ein. Zwar könne man auch noch »eine Weile« ohne Social Software klar kommen, aber: »Wer sie nutzt, hat einen eindeutigen Vorteil gegenüber Leuten, die das nicht tun – persönlich und beruflich.«
Nur, die Handhabung der neuen Werkzeuge will erst gelernt sein. »Die Web-Dienste der ersten Generation besaßen alle eine Entsprechung in der realen Welt«, erläutert der Journalist und Buchautor Doc Searls. »Versandhändler, Auktionshäuser oder Online-Banking brauchte man nicht zu erklären, das versteht jeder sofort.« Bei RSS und Social Bookmarking, bei Blogs und Trackback, Podcasts und Feeds ist das anders.
Am Anfang war das Blog
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Das Rückgrat der neuen Bewegung besteht aus einer Vielzahl einzelner Online-Journale (Weblogs oder kurz Blogs). Ihre Gesamtheit nennt man auch Blogosphäre. Mit einer kostenlosen Blog-Software, wie sie zum Beispiel der Anbieter Blogg.de zur Verfügung stellt, kann jeder – auch der Programmierunkundige – eine Art Log- oder Tagebuch ins Internet stellen. Neue Einträge erscheinen am Anfang der Seite, und jeder Leser kann Kommentare hinterlassen. Die Trackback-Funktion erlaubt es, zu verfolgen, in welchen fremden Blogs Einträge aufgegriffen worden sind und wo Debatten weitergeführt werden. Denn Blogger sind schrecklich geschwätzig. Sie schreiben gern voneinander ab. Noch lieber kommentieren sie.
»Bloggen ist wie Schneebälle einen Hang herunterrollen, manche bleiben liegen, andere rollen weiter, manche werden sogar riesig«, sagt Searls. Ein einziger inspirierter Eintrag kann in der Welt der Blogs eine Eigendynamik ohnegleichen entwickeln. Daher gilt die Blogosphäre als Frühwarnsystem für Themen, Trends und manchmal sogar Nachrichten. »Blogs sind Gespräche«, persifliert sich Searls selbst. Mit der Phrase »Märkte sind Gespräche« hatte er vor sechs Jahren die Grundlage des Cluetrain Manifests gelegt (ZEIT Nr. 27/00). In dieser Kampfschrift für eine »neue Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter« warfen Searls und seine Koautoren der Wirtschaft vor, das Internet und seine Kommunikationsmöglichkeiten nicht zu begreifen. Inzwischen hofft Searls: »Blogs können Firmen helfen, ihre Kunden besser zu verstehen.«
Das erinnert alles sehr an den letzten Internet-Hype? Doc Searls lacht. »Blogs sind Konversationsräume, nach dieser Logik wären auch Kaffeehäuser und Kneipen ein Hype.« Die Massenmedien, glaubt der japanische Internet-Tausendsassa Joi Ito, würden Weblogs fälschlicherweise als eine Art Bonsai-Ausgabe ihrer selbst begreifen: »Weblogs sind etwas völlig eigenes, sie sind gleichzeitig Werkzeuge der Publikation und der Kommunikation. Aber man muss sich Zeit nehmen und nicht nur eins, sondern viele Weblogs lesen, um zu begreifen, worum es eigentlich geht.«
Paradebeispiel Podcast
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Inzwischen schwappen auch Anwendungen aus dem Netz heraus. Im Spätsommer des vergangenen Jahres ersann der ehemalige MTV-Moderator Adam Curry zusammen mit dem Web-Entwickler und Blog-Guru Dave Winer eine Methode, Audiodateien zeitversetzt und automatisiert in den Speicher von MP3-Spielern zu übermitteln. Eine Art Radio auf Abruf, die sie Podcasting nannten, in Anlehnung an Apples populären Musikspieler iPod und das Wort broadcast, Ausstrahlung. Eine Hörproduktion, die so Verbreitung findet, heißt seitdem folgerichtig Podcast. Ende September des vergangenen Jahres lieferte eine Google-Suche nach dem Begriff Podcast exakt 26 Treffer, mittlerweile sind es über acht Millionen.
Das Portal iPodder.org zählt inzwischen mehrere tausend aktive Podcasts, einige Hörbuchverlage und die britische BBC setzen bereits die einstige Untergrundtechnik ein. In Deutschland verbreiten SWR2, das Deutschlandradio und seit neuestem sogar die Tagesschau einen Teil seines Programms via Podcasting. Vor allem teilen sich aber unzählige Amateure mit, oft durch regelmäßige Hörproduktionen – mit inhaltlich wie akustisch schwankendem Niveau zwischen Anrufbeantworter- und Studioqualität. Seit Ende Juni unterstützt sogar Apples populäre Musikverwaltungssoftware iTunes das kostenlose Abonnieren von Podcasts. Damit kehrt dieses Stück soziale Software zu seinem Namensgeber zurück. Aus einer kleinen Idee ist ein eigenes Massenphänomen geworden – und zwar im Zeitraffer.
Früher benötigte eine neue Technologie oft Jahre, um eine kritische Masse von Anwendern zu finden, speziell wenn keine Marketing-Millionen im Spiel waren. Jetzt können wenige Wochen ausreichen – dank der Lauffeuereigenschaft der Blog-Welt.
Mit ihr hat sich auch das Vokabular geändert. Plötzlich bestimmen nicht mehr die Schlagworte der New Economy den Ton im Netz. Die neuen Losungen lesen sich eher wie Begriffe aus einem humanistischen Lexikon: Von Vertrauen ist die Rede, von Reputation und Authentizität. Die Änderungen sind so gravierend, dass viele bereits vom »Web 2.0« sprechen.
Das WWW in der zweiten Auflage
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Auch hier kommunizieren wie in der ersten Version überwiegend Fremde. Die meisten werden sich nie im Leben treffen. Und doch wird der Ton persönlicher. In kürzester Zeit hat der Maus-zu-Maus-Austausch eine Reihe von Diensten hervorgebracht wie das in London ansässige Unternehmen Last.fm. Es führt Menschen anhand ihrer musikalischen Vorlieben zusammen. »Das zugrunde liegende Prinzip kennt wahrscheinlich jeder«, sagt Gründer Michael Breidenbrücker. »Wenn mir in der Plattensammlung eines Freundes viele Scheiben gefallen, stehen die Chancen gut, dass ich dort etwas Unbekanntes entdecke, das meinem Geschmack entspricht.« Das funktioniert ähnlich wie das Empfehlungssystem des Online-Buchhändlers Amazon, nur dass bei Last.fm neben Neukaufsdaten auch die gesamten Plattensammlungen der Nutzer miteinander verglichen werden. Besonders interessant ist das für Menschen mit eher ausgefallenen Musikvorlieben, meint Breidenbrücker: »Mit einer globalen Nutzerschaft ist man auch als Exot nicht lange allein.« Für Produzenten bedeutet das: Nischen können als Märkte noch interessanter werden. »Wir sprechen da gern von dem Mainstream der Minderheiten«, sagt Breidenbrücker. Ein Minoritätsprinzip, das auch für »Mikromedien« wie Blogs oder Podcasts gilt. Sie müssen inhaltlich keine Kompromisse eingehen, da sie kein Massenpublikum bedienen. Jedes einzelne ist speziell und näher am Thema dran als herkömmliche Kommunikationswege, gleich ob online oder offline – ein Frühwarnsystem für Themen aller Art.
Thomas Burg nennt diese neuen Möglichkeiten »eine Verschmelzung von Lokalität und Globalität«. Konkreter: »Ich brauche meine Interessen nicht zu ändern, nur weil sich in meinem hiesigen persönlichen Umfeld niemand für französische Literatur interessiert.« Auch »Social Bookmark«-Dienste wie Del.icio.us, Furl oder Spurl folgen dem Empfehlungsprinzip. Hier legen User täglich Lesezeichen zu ihren Lieblingsartikeln im Web ab. »Wer gerne dies liest, liest auch gerne jenes«, lautet die Grundidee. Das Ergebnis: Permanent erhält man aktuelles Lesefutter zu Themen, die einen höchstwahrscheinlich interessieren. Die Website 43Things gleicht gar persönliche Lebensziele miteinander ab. Wer das Rauchen aufhören, Drehbuchautor oder Death-Metal-Gitarrist werden will, findet hier schnell Gleichgesinnte. Virtuelle Zirkel wie OpenBC oder LinkedIn wollen hingegen eine Plattform für Geschäftsanbahnungen werden. Und in das öffentliche Fotoalbum Flickr entleeren begnadete Fotokünstler und Hobbyknipser gleichermaßen ihre Digitalkameras – und vernetzen thematisch ähnliche Fotos anhand von Schlagworten.
Menschliche Informationsfilter
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Der typische Bewohner des 21. Jahrhunderts stöhnt bereits jetzt unter der kaum zu bewältigenden Informationsflut. Soll er sich da allen Ernstes noch mit Blogs, Musik-, Foto- und Linksammlungen wildfremder Menschen beschäftigen? Und darüber dann womöglich in einem öffentlichen Journal Buch führen? »Die Informationsfilter, die wir benötigen, sind meistens menschlich«, beruhigt Thomas Burg. Ein kompetenter Umgang mit Blogs und anderer sozialer Software führe nicht etwa zu mehr Information, sondern zu individuellerer.
Das wuselige Treiben in der Blogosphäre hat in der Tat auf den zweiten Blick sehr viel mit Sortieren und Gewichten zu tun. Wer sich für ein Fachgebiet interessiert – sei es Tiefseetauchen oder Quantenmechanik –, für den sind Fach-Blogs oft der ideale Einstieg. Und in den Link-Silos von Del.icio.us oder Furl sind die weiterführenden Verweise dann gleich kommentiert. Eine bessere Ausbeute bei gleichem Zeiteinsatz – der Vorteil des humanisierten Netzes gegenüber dem oft ziellosen Herumgeklicke im World Wide Web.
Bei der Übermittlung der Auswahl hilft eine Technologie namens RSS, was für Really Simple Syndication (echt einfache Verbreitung) steht. Etliche Blogs und andere Dienste bieten heute ihre Inhalte parallel auf der Website und eben im RSS-Format an. Mit Hilfe eines Programms abonniert der fortschrittliche Netzbürger die Angebote seiner Wahl und studiert sie gebündelt, ohne sich mühsam von Homepage zu Homepage hangeln zu müssen. Hat ein bestimmter Nutzer neue Bilder auf den Flickr-Server geladen? Gibt es neue Links bei Del.icio.us, die mit einem abonnierten Begriff verknüpft sind? Hat die Blog-Suchmaschine Technorati neue Texte zu einem Stichwort von Interesse entdeckt? Liegt ein frischer Podcast zum Lieblingsthema bereit? Ist auf Nachrichtenseiten wie ZEIT.de eine neue Meldung erschienen? Weil das RSS-Leseprogramm das alles anzeigt wie neu eingetroffene E-Mails, müssen die Nutzer weniger Herumsurfen. »Ich muss nicht mehr raus und etwas suchen«, freut sich Doc Searls, »es wird mir gebracht.« Dieser Service soll künftig noch prominenter werden. So kündigte Softwarehersteller Microsoft kürzlich an, die nächste Windows-Version »Longhorn« werde RSS so weit integrieren, dass kein Browser und kein Leseprogramm mehr nötig sein werde, um Feeds (auf Titelzeilen verdichtete Nachrichten ohne Werbung) zu suchen, zu abonnieren und zu lesen.
Echte Menschen mit echten Namen
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Die meistgelesenenArtikel des TagesIm Schoß des Hörsaals »"Versteht sie das Gleiche wie wir?" »Das Feindbild der Dschihadisten »Bemerkenswert ist auch die neue Sitte, im Netz überwiegend als man selbst aufzutreten – ohne Maske. Dominieren in Foren und Chats des alten Netzes immer noch per Pseudonym anonymisierte Netznutzer, agieren die meisten Weblog-Autoren unter ihrem echten Namen. Medienwissenschaftler Thomas Burg erklärt diesen Kulturwandel so: »Man kann sich online eine Reputation aufbauen, beispielsweise durch ein fachlich gutes und interessantes Weblog. Die Anerkennung dafür kann man dann in der echten Welt nutzen.« Wie man es schafft, Web und Wirklichkeit miteinander zu verbinden, zeigt exemplarisch der Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter. Seit rund zwei Jahren beschreibt der 40-Jährige in seinem LawBlog mit trockenem Humor und launigem Tonfall seinen Arbeitsalltag zwischen Strafgericht und Straßenverkehrsamt. Bisweilen wird in dem Blog auch heiß diskutiert: Zum Eintrag über einen aktuellen Fall sammelten sich kürzlich binnen eines einzigen Tages über 200 Leserkommentare an. Diese Aufmerksamkeit spürt Vetter auch beruflich. »Anfangs war es wirklich nur ein Spaß«, sagt er, »ich schreibe gern, und als ich Blogs entdeckte, bot sich dieses Format einfach an.« Seit etwa einem halben Jahr ist ein zweiter Aspekt hinzugekommen. »Seit neuestem häufen sich die Erstklienten, die mich nur aus dem Internet kennen. Inzwischen ist mein Blog tatsächlich zu einem Wirtschaftsfaktor für mich mutiert; das hätte ich so nie erwartet.«
Die Stärken der neuen Technologien zeigen sich in den Auswirkungen außerhalb des Netzes. Wer sie einzusetzen weiß, sieht im Idealfall die Resultate an seinem Arbeitsplatz, im Auftragsbuch, auf dem Kontoauszug – oder im Bekanntenkreis. Schließlich geht es um eine Humanisierung des Netzes.
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Das Web sind wir

von http://www.heise.de/tr/artikel/print/60731

Das Web sind wir
[21.06.05]



Foto: Manfred Klimek


TR-Autor Mario Sixtus sieht das Ende der Anonymität im Internet kommen. Hat er recht oder ist er einem Hype aufgesessen? Diskutieren Sie mit Forum oder im CIWI-Netzwerk[1]!

Es geht um Jobs, um Business oder einfach nur um nützliche Kontakte. Man bahnt Geschäftsbeziehungen an, knüpft Netzwerke und Seilschaften. Man tauscht Adressen aus, vermittelt Ansprechpartner, öffnet anderen Türen und hofft selbst auf den entscheidenden Zugang. Auf die richtigen Beziehungen kommt es an. Genauso wie im echten Leben.

LinkedIn gibt sich als elitärer Business-Zirkel. Doch man trifft sich nicht in der realen Welt, sondern im World Wide Web. Raum und Zeit spielen keine Rolle. Das Vereinsleben regelt ein Stück Software. Im Jahr 2003 begann LinkedIn mit 40 000 Nutzern. Seither hat der Dienst nach eigenen Angaben weltweit bereits mehr als 2,8 Millionen Mitglieder gewonnen. Im Oktober letzten Jahres konnte das Unternehmen sogar weitere zehn Millionen Dollar Risikokapital einwerben. Der Erfolg von "sozialen Netzwerken" wie LinkedIn gibt selbst Skeptikern zu denken.

"Social Software" nennt sich der neue Trend. Im weitesten Sinne sind damit alle Anwendungen gemeint, die menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen, also auch Groupware, E-Mail oder Instant Messenger. Seit einigen Jahren steht der Begriff jedoch vor allem für Web- Anwendungen, die auf der Viele-zu-viele-Kommunikation des Internets aufbauen.

Das neue Leben im Web ist nicht zu übersehen: Überall schießen Weblogs aus dem Netz, jene Online-Journale, in denen sich Menschen der Welt mitteilen und mit anderen kommunizieren. Soziale Netzwerke bringen Geschäftspartner, Hobbyisten oder die Freunde von Freunden zusammen. Andere Dienste ermöglichen den Nutzern, ihre Fotos, Browser- Lesezeichen, Musikempfehlungen oder Web-Suchergebnisse mit anderen auszutauschen.

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PARALLELE WELTEN


Schon rufen die Visionäre das "Web 2.0" aus. Man begeistert sich für radikal neue Formen sozialer Interaktion, für "virtuelle Mehrheiten" und "Schwarmintelligenz". Das aufgeregte Wortgeklingel klingt verdächtig nach der nächsten Internet- Blase, nach einer weiteren angeblichen "Killertechnologie", die das Netz revolutionieren soll. "Ich habe solche Hypes schon oft erlebt", meint der Software-Unternehmer und Internetguru Dave Winer: "Social Software gibt es seit Jahren. Was ist die große Neuigkeit?"

Sicher: "Social Software" wie cc-Mails, Gruppenkalender oder Instant Messaging nutzen wir seit langem. Alle diese Technologien haben zwar komfortablere Kommunikation gebracht, aber weder das Netz noch die Gesellschaft umgekrempelt. Warum soll jetzt plötzlich alles anders sein? Die Antwort liegt möglicherweise nicht bloß in einer Hand voll neuer Technologien, sondern in einem tief greifenden Kulturwandel, der zurzeit das Netz erfasst.

"Wir erleben gerade das Ende des Cyberspace", sagt Joi Ito bedächtig. Wir treffen uns im Pariser Büro des Software- Unternehmens Six Apart, einer Social-Software-Firma, an der Ito beteiligt ist. Der 39-jährige Japaner hat selbst alle Verpuppungsphasen des Netzes miterlebt. Einst schraubte er an Rechnern herum, philosophierte mit dem Drogen-Guru Timothy Leary über Chaos und Cyberkultur und stopfte sein Badezimmer mit Servern und Netzwerkkabeln voll. Daraus entstanden die Firmen PSINet Japan und Infoseek Japan. Während des Internet-Booms verkaufte er Unternehmen wie Rakuten, Nippons größtes Online-Portal, oder brachte sie an die Börse.

Heute ist Joi Ito einer der ehrenamtlichen Direktoren der Internet- Verwaltung ICANN, sitzt mehreren Regierungskomitees und Non-Profit-Organisationen vor und verbringt einen Großteil seines Lebens auf Konferenzen irgendwo auf der Welt. Trotz seiner Biografie ist Ito ein Computer- und Internet- Freak neuen Typs. Vor allem ist er kein Rebell - wie etwa ein gewisser John Perry Barlow seinerzeit, im Jahr 1996.

Der ehemalige Rinderzüchter, Texter der Gruppe Greatful Dead und Gründer der Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation verkündete damals auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ein zornig-pathetisches Pamphlet. "Der Cyberspace liegt nicht innerhalb eurer Hoheitsgebiete", lautete seine Botschaft an die "müden Giganten aus Fleisch und Stahl". Und: "Unsere persönlichen Identitäten haben keine Körper." Barlow beschrieb das Internet als eine separate, autonome Welt, die gegen Eindringlinge verteidigt werden musste. "Barlows Unabhängigkeitserklärung damals, das war eine andere Zeit, die ist jetzt vorbei", sagt Ito knapp.

Einige Jahre nach Barlows Rede platzte die Dotcom-Blase. Zurück blieb ein Web, das tief gespalten war in zwei parallele Welten. Die eine gleicht einem gigantischen, glitzernden Einkaufszentrum, die andere mal einem zwielichtigen Schattenreich, mal einem Maskenball. In der einen Welt erledigen wir unser Onlinebanking, kaufen und verkaufen alte Kinderfahrräder über Ebay, bestellen Bücher und CDs. Hier lesen wir die Nachrichten und informieren uns über die Wetteraussichten. In dieser Welt residieren die monolithischen, agenturgepflegten Unternehmens-Websites. Zwar gibt es Schnittstellen zur realen Welt. Aber es begegnen uns keine Menschen.

In der anderen Welt, in Webforen und Chaträumen, geht es lebendiger zu. Doch wieder treffen wir nicht auf Menschen, sondern auf anonyme, gesichts- und geschichtslose Cyber-Wesen. Hier fachsimpelt man über Computer und Autos, man chattet über Politik, Sex oder das Fernsehprogramm. Hier simuliert man Identität - oder gleich mehrere Identitäten zugleich. Hier tobt man Fantasien, Begierden oder einfach bloß Stimmungen aus. Wer sich hinter RealNeo665, Crippled- Mind oder face1004 verbirgt? "On the internet nobody knows you're a dog", hieß es einmal.

Welche Relevanz hat das Geschnatter mit Unbekannten, über deren reales Leben man höchstwahrscheinlich nie etwas erfahren wird? Würden Sie CrippledMind ohne weiteres einen Job vermitteln? Und würden Sie ihm abkaufen, was er aus seinem angeblichen Leben erzählt? Woher wüssten Sie überhaupt, ob es er oder sie ist?

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MASSENVERANSTALTUNG WEB


"Noch vor wenigen Jahren waren die Online- und die Offline- Welt nahezu komplett voneinander getrennt", sagt Ito: "Was wir im Netz trieben, verstanden die Bewohner des ,Meatspace‘ sowieso nicht. Es gab also keine Notwendigkeit, diese beiden Identitäten miteinander zu synchronisieren." Das aber ändert sich gerade, glaubt Ito.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Internet-Zugängen hat sich das Web zur Massenveranstaltung gewandelt. Das neue Publikum brachte neue Bedürfnisse mit: Plötzlich stellten auch Kanarienzüchter ihre persönliche Seite ins Netz. Literaturfreunde und Ökologieinteressierte suchten im Web nach Gleichgesinnten, und seit Ebay ist der Internet-Handel zu einer Art Breitensport geworden. "Zu den Heavy-Usern des Netzes gehören immer mehr ,normale Menschen‘, der Anteil der Computerfreaks wird permanent kleiner", sagt Ito. Das Resultat dieser Entwicklung: "Es macht keinen Sinn mehr, zwischen Online- und Offline-Welt zu unterscheiden."

Es ist eine erstaunliche Volksbewegung, die sich derzeit formiert. Computer-Freaks und Netzrebellen sehen anders aus. Die neuen Web-Bewohner kommen als Siedler, nicht als Revolutionäre. Sie machen es sich gemütlich und bringen die Sitten aus der realen Welt mit. Das Netz bekommt ein Gesicht. Viele Gesichter. Wir sind das Web.

DIE BLOGOSPHÄRE


Weblogs bilden den ersten großen Siedler-Treck in die neue Netzwelt. Die kleinen Online-Journale werden mal als Tagebücher belächelt, zur Therapieform einsamer Seelenexhibitionisten oder zur publizistischen Revolution erklärt. All das ist richtig oder kann es zumindest sein - doch darauf kommt es nicht in erster Linie an.

Primär sind Weblogs (kürzer: Blogs) eine Technologie. Im Kern handelt es sich um simplifizierte Varianten großer Web- Content-Management-Systeme. Mit Blog-Software ein Journal im Web zu führen ist in etwa so einfach, wie eine E-Mail zu verschicken. Ein Blog kann ein Tagebuch sein, eine wissenschaftliche Publikation oder eine Sammlung öffentlicher Notizzettel -- mal dies, mal das. Darauf kommt es an.

Rund elf Millionen Weblogs erfasst der Weblog-Suchdienst Technorati zurzeit. Die Schätzungen über die Zahl der weltweit existierenden Blogs schwanken zwischen 15 und mehr als 60 Millionen. Deutschland ist Nachzügler: Der Dienst Blogstats. de zählt etwa 60 000 deutschsprachige Blogs. Sowohl Technorati als auch Blogstats beobachten das gleiche Phänomen: Etwa alle fünf Monate verdoppeln sich die Zahlen. Und wer meint, dass er was zu sagen hat, kann mit "Podcasting" auf Basis von Blog-Technologie mittlerweile sogar Radio machen. Einige Weblogs sind in den USA bereits populärer als manche Tageszeitung und setzen beachtliche Summen durch Bannerwerbung um.

Die wahre Seele der Blogwelt entdeckt man jedoch erst, wenn man sich die kleinen persönlichen Journale anschaut, die täglich vielleicht eine Hand voll Leser haben. Und hier begegnen wir nun endlich echten Menschen. Zwar gibt es natürlich auch etliche anonyme Blogger -- wer jedoch ernst genommen werden will, schreibt unter seinem realen Namen. Viele veröffentlichen sogar Porträtfotos und persönliche Angaben auf einer "About"-Seite.

Joi Ito findet diese Abkehr von der Anonymität nur logisch: "Wer sich online eine Reputation erarbeitet, indem er beispielsweise über ein Fachgebiet schreibt, der will dieses Ansehen auch im richtigen Leben nutzen. Das geht nur, wenn man ihn dort wiedererkennen kann."

Für Thomas Burg, Leiter des Zentrums für Neue Medien an der Donau-Universität Krems, sind Weblogs eine Antwort auf die Frage der "persönlichen Präsenz" im Web: "Früher waren die Menschen verstreut in irgendwelchen Message-Boards, das waren gemietete Räume, dort konnte man keine Beständigkeit als Person aufbauen." Kontinuität könne man nur durch Persönlichkeit, durch Individualität und durch eine gewisse Offenheit erzeugen. "Es ist etwas vollkommen anderes, als in einem Forum zu schreiben", meint der Münchener PR-Experte Klaus Eck, "dort geht man als Person unter, es sind einfach zu viele Menschen da." Eck glaubt, dass der persönliche Stil eines Bloggers bis zu einem gewissen Grad sogar dessen "Mimik und Gestik ersetzen" kann.

Der Unterschied zwischen Blogs und den Ich-und-mein- Hund-Homepages der 90er Jahre besteht zunächst in einer Summe von Techniken, die Kommunikation und Vernetzung unterstützen. Jede Weblog-Software meldet einen neuen Eintrag an einen oder mehrere Server, deren Update-Listen dann wiederum von weiteren Diensten konsultiert werden, beispielsweise von speziellen Blog-Suchmaschinen. Diese Mel- dung, der so genannte "Ping", sei der "Herzschlag des Blogtums", sagt der Wiesbadener Web-Entwickler Ralf Graf.

Doc Searls, Buchautor und Redakteur des Linux-Journals, erklärt die Effizienz der Technik anhand von Damenunterwäsche. Als der Wäschehersteller Victoria's Secret vor einiger Zeit einen neuen BH auf den Markt brachte, fand der Blog-Suchdienst Technorati kurze Zeit nach dem Produktlaunch gleich hunderte von Erwähnungen in Weblogs: "Ganz normale Frauen hatten ihre ersten Erfahrungen mit dem neuen Ding geschildert", erzählt Searls. Dienste wie Popdex, Daypop oder Blogstats.de nutzen die Ping-Technik, um sich über neu gesetzte Hyperlinks zu informieren und daraus aktuelle Link- Hitparaden zu basteln. Diese Charts dienen als Aufmerksamkeitsmesser, sie geben Auskunft darüber, welche Themen gerade für Diskussionsstoff sorgen -- ob Unterwäsche, George W. Bush oder spannende neue Technologien.

"Blogs sind Gespräche", sagt Doc Searls. Eine Kommentarfunktion erlaubt den Lesern eine direkte Stellungnahme zu jedem Artikel. Zudem platziert ein Verfahren namens Trackback automatisch Rücklinks auf den Seiten eines verlinkten Blogs. So können grenzüberschreitende Debatten über mehrere Blogs entstehen. "Nichts ist fertig, alles bleibt in Bewegung", sagt Doc Searls. "Wir sind eben lernende und lehrende Wesen." Funktionen wie Trackback sind für Social-Software-Anwendungen typisch.

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Frühere Groupware-Programme, etwa zur Projektorganisation in Unternehmen, ordneten das Verhalten der Gruppenmitglieder dem jeweiligen Projektziel unter. Social Software funktioniert nach dem Bottom-up-Prinzip, also von unten nach oben: Die Nutzer verfolgen zunächst ihre eigenen Ziele. Daraus entwickelt sich ein Austausch mit anderen, die wiederum Anregungen, Informationen oder Kontakte beisteuern - und schließlich ein dynamisches Geflecht von sozialen Beziehungen. Nur durch Interaktion, durch das Netzwerk, durch die Emergenz entsteht der Nutzen.

Der Fotodienst Flickr bietet seinen Nutzern die Möglichkeit, Bilder zu speichern und anderen zugänglich zu machen. Doch erst die Such-, Verknüpfungs- und Kommunikationsdienste machen den Bilderberg lebendig. Die Nutzer können thematische Gruppen aus eigenen und fremden Fotos anlegen, Bilder kommentieren und über das Web-Interface Nachrichten austauschen. Auf Wunsch informiert eine E-Mail darüber, dass bestimmte Fotografen neue Bilder publiziert haben. Flickr-Mitglieder können einzelne Bereiche ihrer Fotos mit Textnotizen versehen. Der Betrachter entdeckt diese Informationen beim Darüberfahren mit der Maus. Wer will, kann so mit Fotografien ganze Geschichten erzählen, jedes einzelne Bild in einen Zusammenhang stellen. Durch die Summe dieser Features erzeugt Flickr ein enorm dichtes soziales und inhaltliches Geflecht.

Fotografen, aber auch zufällige Besucher können Fotos mit "Tags" versehen, ihnen also frei definierbare Schlagworte zuordnen. Je mehr Menschen dieses Spiel mitspielen, umso präziser katalogisieren sie dabei die Bilder. Wohl auch wegen des "Tagging"-Know-hows hat Yahoo! neulich den Bilderdienst für angeblich 40 Millionen Dollar aufgekauft.

NETZ-PARTYS


Bei Del.icio.us, Furl, Spurl und anderen Diensten können Anwender ihre aktuellen Web-Lesezeichen "taggen" und mit anderen tauschen. Die Suchmaschine Eurekster ermöglicht ihren Nutzern sogar eine Art Teamrecherche im Web: Wer auf ein für sein Interessengebiet besonders relevantes Suchergebnis stößt, kann es entsprechend kennzeichnen - und bei der nächsten Suche nach dem gleichen Begriff rutscht es im Ergebnisranking nach oben. In so genannten "Search Partys" können Nutzer mit gleichen Interessen von den Sucherfolgen der anderen Gruppenmitglieder profitieren. Viele wissen immer mehr als wenige: Das Prinzip hat bereits der Internet-Enzyklopädie Wikipedia zu ihrem beispiellosen Erfolg verholfen.

Neue Dienste, neue Daten, neue Kommunikationswege. All das mag danach klingen, als würde bloß die persönliche Informationsflut weiter anschwellen. Neue Technologie soll helfen, den Strom in die richtigen Bahnen zu lenken: Heute publiziert bereits jede Blog-Software, die etwas auf sich hält, nicht nur Webseiten, sondern auch eine kleine, maschinenlesbare Datei, den so genannten RSS-Newsfeed ("Rich Site Summary" oder "Really Simple Syndication"). Darin finden sich die einzelnen Blog-Einträge, gänzlich befreit vom sie normalerweise umgebenden grafischen Design. Der Nutzer abonniert Feeds seiner Wahl in einem so genannten Feedreader. Diese Programme ziehen in regelmäßigen Abständen ihre Runden durchs Web, sammeln die aktualisierten Dateien ein und stellen den Inhalt gestaltungsneutral dar.

RSS erlaubt zwar effiziente Informationsbeschaffung im Netz, das Filtern dieser Information ist aber letztlich persönliche Hand- und Kopfarbeit. Am besten helfen können immer noch reale Menschen: Wer dreimal auf ein gutes Buch hingewiesen hat, dessen Tipp befolgen wir wahrscheinlich auch ein viertes Mal. Menschen filtern für Menschen. "Je mehr Möglichkeiten man hat, umso weniger weiß man, was man will", formuliert Michael Breidenbrücker. Sein in London ansässiges Unternehmen Last.fm versucht Menschen anhand ihrer Musikvorlieben zusammenzubringen.

"Musik transportiert viel mehr als eine MP3-Datei", weiß Breidenbrücker: "Wir versuchen, den sozialen Kontext herzustellen." Anhand ihres Musikgeschmacks unterbreitet Last.fm Anwendern nicht nur Vorschläge, sondern versucht auch, virtuelle Freundeskreise zu bilden. Über die Zeit hat Breidenbrücker auf diese Weise interessante Beobachtungen gemacht: "Unter den Songs bilden sich Cluster, Genre-Gruppen, die nicht von der Musikindustrie erfunden, sondern von den Nutzern erzeugt wurden." Auch Last.fm schafft so Ordnung jenseits hierarchischer Kategorien - mithilfe von Menschen.

Je größer und unübersichtlicher das Netz wird, desto größer wird auch das Bedürfnis nach Orientierung, Vertrauen und Verbindlichkeit. Und je mehr Menschen es bevölkern, umso wichtiger werden Normen und Schutzmechanismen - ob vor Spam oder bloßer Belästigung. Anonyme Webforen und Chatrooms ohne soziale Regeln verkommen leicht zu virtuellen Slums, in denen nur noch randständige Nerds, Querulanten und Verrückte herumirren. Nachhaltige Interaktion zwischen Menschen braucht verläßliche Beziehungen.

SOZIALE NETZE


Durch Feedback- und Rating-Mechanismen unterstützt Social Software den Aufbau von digitaler Reputation. Das Prinzip, dass jeder in der Gruppe die Beiträge anderer bewerten kann, ist nicht neu, sondern knüpft an die Konventionen in Web-Foren wie Slashdot an. So funktioniert auch das System von Ebay. Das Neue liegt im Zusammenspiel solcher Mechanismen mit einer Vielzahl von Verknüpfungs- und Kommentiermöglichkeiten. Dieses Geflecht schafft bei Diensten wie Flickr durchaus eine angenehme, ja persönliche Atmosphäre -- auch wenn viele Nutzer unter Pseudonymen auftreten. Doch wenn es um Geschäftsbeziehungen, Jobs oder Freundschaft geht, reicht das nicht mehr: Vertrauen erfordert letztlich Identität. Man will eben wissen, mit wem man es zu tun hat. Und wenn man es selbst nicht weiß, dann fragt man andere, auf deren Rat man vertraut.

So genannte virtuelle soziale Netze wie Friendster oder Orkut versuchen deshalb, die entsprechenden Konventionen der realen Welt zu modellieren. Hier dienen gemeinsame Freunde und Bekannte als Indiz für eine Geistesverwandtschaft. Der Grundgedanke: Der Freund eines Freundes kann eigentlich kein Unsympath sein. Die Chance der sozialen Kompatibilität ist also ausgesprochen hoch. Warum sich nicht einfach kennen lernen? Auf Partys oder am Arbeitsplatz passiert das jeden Tag schnell und unkompliziert; entsprechende Dienste im Internet erlauben es nun, die soziale Kette noch ein Glied weiter zu knüpfen: Auch der Freund des Freundes des Freundes ist plötzlich in Kontaktweite, egal, wo er sich geografisch gerade aufhält.

Dass solche Brückenschläge auch großen Einfluss auf unsere berufliche Existenz haben, stellte der Soziologe Mark Granovetter bereits in den 70er Jahren fest. Granovetter befragte Menschen danach, wie sie an ihren Job gekommen seien. Seine Erkenntnis: Nicht die engen Freunde oder Familienangehörigen, die so genannten "strong ties", sind bei der Jobsuche wichtig, vielmehr sind es meist die "weak ties" – die Freunde von Freunden oder sogar deren Freunde –, die den Kontakt zum künftigen Arbeitgeber herstellen. Diesen Umstand versuchen virtuelle Business-Netzwerke wie Linked- In oder OpenBC zu nutzen.

"Die Welt vernetzt sich immer mehr, gerade deshalb sind Vertrauen und Reputation, kurz: der Ruf, den man hat, immer wichtiger", sagt Konstantin Guericke, Mitgründer von Linked- In. Das Business-Netzwerk gibt sich exklusiv und diskret: "Die Mitglieder können nicht direkt miteinander Kontakt aufnehmen, außer sie kannten sich schon vorher. Sie müssen miteinander bekannt gemacht werden", erläutert Guericke.

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Wer mit einer Person ins Geschäft kommen will, schickt diese Bitte auf eine Hand-zu-Hand-Reise, die maximal bis zum vierten Bekanntschaftsgrad reichen darf. Sämtliche Personen, welche die Verbindungskette zwischen den potenziellen Geschäftspartnern bilden, können diese erste Anfrage einsehen, mit Anmerkungen anreichern und schließlich weiterreichen – oder eben auch nicht. Die Freunde und Bekannten dienen gleichsam als menschliche Spamfilter und schirmen die Zielperson vor nervigen Bittstellern ab.

NEUE OFFENHEIT


Guericke glaubt, gerade höhere Manager verließen fluchtartig eine Netzplattform, wenn sie mit Anfragen überschüttet werden: "In jedem System gibt es mehr Personen, die etwas verkaufen wollen und wesentlich weniger Käufer. Schafft man es nicht, das auszubalancieren, fliehen die Käufer, und das Netzwerk verliert an Wert."

Der in Hamburg ansässige Open Business Club (OpenBC) verfolgt eine diametral entgegengesetzte Strategie. "Wir sind davon überzeugt, dass die Zukunft in offenen Netzen liegt", sagt Gründer Lars Hinrichs: "Der Nutzer sollte entscheiden, wie er mit dem System umgeht." In den Standardeinstellungen offeriert jeder OpenBC-User auf einer Art Steckbriefseite seinen Lebenslauf, preist seine beruflichen Kenntnisse an und präsentiert vor allem seine Kontakte innerhalb der Gemeinschaft. Allerdings lässt sich die Offenheit der Persönlichkeitssphäre stufenweise einschränken. Auch dieses Club-Modell scheint zu funktionieren.

Sieht also so die Web-Welt des 21. Jahrhunderts aus? Wir teilen der ganzen Welt unsere Gedanken und Ideen mit (Blogs), präsentieren Bilder aus unserem Leben (Flickr), vermelden der Menschheit, was wir gerade lesen (Del.icio.us) und öffnen sogar für jedermann unser Adressbuch (Open BC)? Loïc Le Meur, Europachef von Six Apart, spricht von "Open Sourcing yourself". Le Meur meint damit eine Gegenbewegung zur Geheimniskrämerei: "Es geht um Offenheit, Transparenz, Klarheit. Es geht darum, die Open-Source-Idee auf die Geschäftswelt auszudehnen."

Die Zukunft der neuen Netzwerke wird sich freilich daran entscheiden, ob es ihnen jemals gelingt, Geld zu verdienen. Da etwa LinkedIn keinen Mitgliedsbeitrag verlangt, muss sich der Dienst über Anzeigen finanzieren. Ob das funktioniert, weiß heute noch niemand. Andere, wie PR-Mann Klaus Eck, relativieren den tatsächlichen Nutzen der neuen Web-Netzwerke. Zwar habe er schon einige "substanzielle Kontakte" durch seine OpenBC-Mitgliedschaft aufbauen können, aber durch sein Blog hätte er "zehnmal mehr Netzwerkeffekte gespürt als durch OpenBC". Die Businessbörsen würden sich weniger zur Anbahnung und Vertiefung von Kontakten eignen als zur Pflege bestehender Netzwerke, glaubt Eck.

Also alles doch nur ein Hype? Vor einigen Jahren weckten so genannte Peer-to-Peer- Netzwerke die Fantasie von Visionären und Analysten. Es ging um File-Sharing, um dezentralen, gleichberechtigten Daten- austausch zwischen Computern. Netzwerke wie Freenet zielten ab auf völlig anonymisierte, vor Zensur geschützte Kommunikation. Die Musikindustrie klagte die Peer-to-Peer- Tauschbörsen schließlich in Grund und Boden. Was blieb, war nicht die hochfliegende, revolutionäre Vision, sondern Technologien des verteilten Speicherns, wie sie von BitTorrent oder dem Internet Archive erfolgreich genutzt werden.

Werden auch vom Social-Software-Boom bloß ein paar neue Kommunikationstools übrig bleiben? Zwei starke Argumente sprechen dagegen. Der eine ist die massenhafte Verbreitung von Breitband-Internetzugängen, die letztlich erst effiziente Formen der Interaktion zwischen vielen Menschen im Netz möglich macht. Mobiles Breitband-Internet wird Dienste wie Flickr weiter beflügeln.

Das andere, vielleicht sogar das letztlich entscheidende, sind die Bedürfnisse der Menschen. In einer von zunehmendem Wettbewerb geprägten Wissensgesellschaft zählen nützliche Kontakte und persönliche, vertrauensvolle Beziehungen mehr als abgehobene Visionen von Virtualität und wechselnden Cyber-Identitäten.

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NEUE GEGENMACHT?


"Die entscheidende Frage lautet: Wie docke ich mich an die richtigen Netzwerke an?", sagt Medienexperte Thomas Burg: "Wer die neuen Möglichkeiten nutzt, hat einen klaren Vorteil gegenüber denen, die das nicht tun." Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Technologien könnten sich sogar als "brisant" erweisen, glaubt Burg: "Vernetzung hat auch immer etwas mit Macht zu tun." Das Internet und speziell Social Software gebe jedem die Chance, sich schnell und unkontrollierbar vorhandenen informellen Netzen anzuschließen oder selbst neue zu bilden: "Das könnte für bestehende Machtstrukturen problematisch werden."

Da sind sie wieder, die revolutionären Töne, doch diesmal nehmen sie eine andere Richtung: Versuchte John Perry Barlow das Internet als autonome Republik gegen den Rest der Welt zu verteidigen, spricht Thomas Burg von einer Umwälzung im realen Leben, ausgelöst durch menschliche Netze, die wir online knüpfen. Die Web-Netzwerke könnten freilich auch zur Bildung neuer Eliten führen, zu einer neuen digitalen Spaltung: Wer nicht dazugehört, verliert womöglich den Anschluss an die globale Wissensgesellschaft. Isolation im Web könnte zu Ausgrenzung und Ungleichheit in der realen Welt beitragen.

Die optimistische Alternative ist ein von Menschen geprägtes, ein menschlicheres Web, das immer mehr mit der Realität zusammenwächst - und zugleich auch eine Art Gegenentwurf bietet, neue Perspektiven und Horizonte eröffnet. Ausgerechnet im globalen Medium Internet könnten jene Lebenswelten neu entstehen, die vielen durch die Globalisierung zunehmend bedroht erscheinen: Während in der Offline-Welt der anonyme Großkapitalismus waltet, die Menschen Arbeitsplatzverlust und Entwurzelung fürchten, wachsen im Web neue Räume und Sphären, in denen Identität, Vertrauen und Zusammenarbeit herrschen.

Sicher, auch in Zukunft können sich RealNeo665, Crippled- Mind oder face1004 weiter im Netz tummeln, aber ihre Web- Ecken werden höchstens noch die Funktion eines Maskenballs haben. Wer Vorteile aus dem Internet ziehen und dort für sich nutzen will, wo wir alle Sozialversicherungsnummern haben, der muss als echte Person präsent und aktiv sein.

Das "Web 2.0" wird ein Ort für echte Menschen sein. Man wird sich diesem Web nicht so leicht verweigern können. Es wird bei manchen aber auch Ängste wecken. Es wird Gewinner und Verlierer geben, neue Chancen, aber wahrscheinlich auch neue Ungleichheit. Herzlich Willkommen in der Wirklichkeit.

Mario Sixtus lebt und arbeitet als freier Journalist in Düsseldorf. Wenn er nicht gerade über die bloggende Revolution schreibt, bloggt er - ganz unrevolutionär - auf www.sixtus.net. Sie finden den Artikel gut oder grundfalsch? Diskutieren Sie mit Forum oder im CIWI-Netzwerk[2]!

(Entnommen aus Technology Review Nr. 7/2005[3]; das Heft können Sie hier[4] bestellen

(wst[5]/Technology Review)

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