Mittwoch, Dezember 07, 2005

Zukunftsatlas Internet Social Software

von HANDELSBLATT
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HANDELSBLATT, Montag, 11. Juli 2005, 09:45 Uhr
Zukunftsatlas Internet
Social Software: Was die einzelnen Dienste leisten
Von Nils Elbert, Anne Röhling, Michael Lohbusch, Bernd Hofmann, Michael Smith und Anne-Mareike Homfeld
Interessen verbinden Menschen. Internet-Angebote wie Flickr, del.icio.us, last.fm und Co. helfen dabei. Doch welcher dieser „sozialen Dienste“ kann was?

DARMSTADT. Die Leistungen von Social Software sind vielfältig. Menschen erfahren plötzlich Dinge über Andere, die sonst im Verborgenen geblieben wären. Sie interagieren im Netz und hinterlassen Spuren. Wo man diesen Fährten nachgehen kann stellen wir im Folgenden anhand einzelner Beispiele vor: vom Bilder-Paradies Flickr.com über das Radio, das jedem gefällt, bis hin zur Kontaktbörse für Geschäftsmenschen.
del.icio.us, Furl & Co - Social Bookmarks
Bookmark Dienste wie del.cio.us, Furl und Co. gehören zu den ersten Social Software Angeboten. Einmal angemeldet, können Nutzer dort Bookmarks ablegen, mit Schlagworten versehen und kategorisieren. Die Lesezeichen werden mit anderen Anwendern geteilt und sind von jedem Rechner mit Internetanschluss erreichbar. Jedem Link können Schlagworte zugeordnet werden, dadurch entstehen riesige Linksammlungen, die von zahlreichen Nutzern zusammengetragen werden.
Weitere Social-Software-Dienste:
» Flickr.com – Die Welt in Bildern
» Last.fm & Audioscrobbler – Intelligentes Radio
» OpenBc – Kontaktbörse für Geschäftsleute
» Podcasts – Radiobeiträge aus dem Internet
» RSS – Der Leim, der alles zusammenhält
» Wikis – Kollektiver Wissensspeicher
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Als die Dienste noch in den Kinderschuhen steckten, konnten dort nur Links gesammelt werden. Heute speichern zum Beispiel Yahoos MyWeb 2.0 oder Spurl.net ganze Kopien einer Webseite und ermöglichen eine Recherche auch dann, wenn die Seite hinter dem Lesezeichen schon vom Netz genommen wurde.
Auf » del.icio.us und » Furl.net können die Bookmarks als Liste oder „Cloud“ - eine Wolke aus Wörtern, bei der die am häufigsten verwendeten Tags hervorgehoben sind - geordnet werden. Bei Spurl.net kann der Nutzer zusätzlich eigene Kategorien für seine Lesezeichen definieren. Spurl kann außerdem in den Internetbrowser integriert werden, so dass eine extra Favoriten-Leiste die Spurl-Kategorien anzeigt.
Mittlerweile gibt es unzählige Variationen, wie Lesezeichen und Seiten abgelegt, geordnet und angezeigt werden können. Beispielsweise generiert die Webseite » maps.pietrosperoni.it/delicious/makemap.html aus den Lesezeichen eines del.icio.us Profils eine Mindmap. Lesen Sie weiter auf Seite 2: Die Welt in Bildern -->
Flickr.com – Die Welt in Bildern
Zeigt Euch Eure Welt – so könnte das Motto von » Flickr.com lauten. Die Foto-Community boomt. Das Foto-Sharing-System, entwickelt von Ludicorp aus Vancouver, Kanada, und 2005 von Yahoo gekauft, hat eine sehr hohe soziale und inhaltliche Vernetzungsdichte. Tausende Menschen können sich gegenseitig ihre Fotos zeigen: vom kunstvollen Stillleben bis hin zu Tante Friedas Geburtstagsparty. Dabei sind die Möglichkeiten, die Bilder ins Schaufenster Flickr zu hängen, vielfältig. Angefangen vom flickr-eigenen Upload-Tool für den eigenen Desktop bis hin zum Hochladen per Foto-Handy oder Email, die Community ist dadurch in der Lage jederzeit, an fast jedem Ort der Welt, Bilder ins Netz zu stellen.
Die Benutzeroberfläche ist simpel und selbsterklärend. So wird es auch Internetlaien einfach gemacht, ihre Fotos zu veröffentlichen. Aber „nicht jeder muss wissen wie meine Oma aussieht“, sagt Stephan Mosel, Flickr-Nutzer seit 2004. Auch dafür hat der Fotodienst eine Lösung parat: der Nutzer kann mit wenigen Schritten den Zugriff auf seine Bilder auf seine Freunde oder die Familie einschränken.
Viele nutzen Flickr als Fotoarchiv, denn mit Hilfe einer einfachen Verschlagwortung der Bilder, dem so genannten „Tagging“, können Fotos jederzeit wieder gefunden werden. Und bei der Suche nach Tags stößt man auf Menschen mit denselben Interessen. Daraus entstehen Kontakte und schließlich Gruppen, beispielsweise zu Schlagworten wie „Berlin“ oder „asiatisches Essen“, in die nur thematisch passende Bilder gestellt werden. Ein großes Bilderbuch entsteht, mit dem sich die ganze Welt virtuell bereisen lässt.
Last.fm & Audioscrobbler – Intelligentes Radio
Das Online-Radio » Last.fm kennt den Musikgeschmack seiner Hörer und bietet jedem Nutzer ein individuelles Radioprogramm an. Doch woher weiß Last.fm, was sein Publikum gerne hört? Dazu verwendet die Radiostation Profile des Webprojekts » audioscrobbler.com. Ähnlich wie bei Yahoos Internetradio Launchcast, das außerhalb der USA leider nur begrenzt genutzt werden darf, kann der Nutzer die ihm über das Radio zugespielte Musik ständig bewerten.
Ein Plugin für den heimischen Player protokolliert zusätzlich auch andere Musiktitel, die auf dem Computer gespielt werden. Dieses Profil nutzt Last.fm, um persönliche Radiostreams anzubieten. So kann man auch im Büro oder unterwegs die Musik hören, die zu Hause auf der Festplatte oder im CD-Regal liegt. Dabei werden keine MP3s übertragen, lediglich Trackname, Album und Interpret. Jeder, der ein solches Plugin verwendet, kann auf audioscrobbler sein Hörverhalten analysieren. Dort finden sich Statistiken, wie oft welche Band gehört wurde oder welcher Track diese Woche am häufigsten in der Playlist stand. Das System nutzt diese Statistiken, um andere Benutzer mit ähnlichem Musikgeschmack zu finden und erstellt individuelle Musikempfehlungen. Die Software bewirbt so zusätzlich auch neue und/oder unbekannte Interpreten, die gezielt jenen Hörern empfohlen werden, die ein passendes Musikprofil aufweisen. Zu den gespielten Tracks werden auch das Albumcover und zusätzliche Informationen zu den Interpreten eingeblendet.Lesen Sie weiter auf Seite 3: Kontaktbörse für Geschäftsleute -->
OpenBc – Kontaktbörse für Geschäftsleute
Manager, die nicht mehr auf langweilige Empfänge oder Geschäftsessen angewiesen sind? OpenBc (Open Business Club) ist die Antwort auf die alt gedienten und zeitintensiven Formen der Geschäftskontaktpflege. Im November 2003 ging die Business-Kontaktbörse an den Start, inzwischen vertrauen nach eigenen Angaben mehr als 350 000 Mitglieder im deutschsprachigen Raum auf die Dienste des weltweit operierenden Hamburger Dienstes.
Nach der etwa fünfminütigen Anmeldung und wenigen persönlichen Einstellungen sind die ersten Ansprechpartner aus der Branche nicht weit. Ohne die Premium-Mitgliedschaft zum Preis von knapp sechs Euro sind jedoch nur wenige Suchfunktionen frei geschaltet. Außerdem ist der Import von Adressdaten aus Outlook ausgeschlossen und die Kommunikation zu interessanten Gesprächspartnern auf der Trefferliste eingeschränkt.
Trotzdem funktioniert das Schneeballsystem: Freunde laden Geschäftspartner oder Kollegen ein, die wieder Freunde oder Kunden einladen. Oft treffen sich so alte Arbeitskollegen und Geschäftsleute wieder. Neue Aufträge, Infos über zukünftige Businesspartner oder neue Mitarbeiter – alles hält openBC bereit. Nutzer erfahren hier von potenziellen Kontakten, die ihnen in der Realität verborgen geblieben wären. Wer jedoch allzu plump versucht, Kontakt aufzunehmen, wird nicht weit kommen, die Etikette spielt eine große Rolle in openBC. User tauschen sich nicht nur über den Job und Management, sondern auch über private Dinge aus. Es wird einander geholfen und empfohlen. Business im sozialen Netz, hier ist es Realität.
Podcasts – Radiobeiträge aus dem Internet
Keine Lust mehr auf sinnfreie Berieselung, Sie sind auf der Suche nach hörbaren Informationen und besonderer Musik? Mit Podcasts lässt sich ein ganz persönliches Radioprogramm zusammenstellen. Die Wortkreation Podcast setzt sich zusammen aus den Wörtern „Ipod“, die Bezeichnung für den MP3-Player des Computerherstellers „apple“ und Broadcasting, was soviel wie „Senden“ bedeutet.
Das Prinzip: Aus dem Web können radioähnliche Beiträge herunter geladen und direkt auf dem „Ipod“ oder jedem anderen MP3-Player gespeichert werden. Meist kann man die Beiträge auch abonnieren: eine spezielle Software, die kostenfrei zum Download bereit steht, durchforstet dann automatisch das Netz nach aktuellen Beiträgen und kann diese auf den PC, beziehungsweise das Abspielgerät, herunterladen.
Das Spektrum reicht von Hörbüchern, privat produzierten Wissenschaftssendungen bis hin zu Musik-Specials. In den USA sollen bereits Millionen von Nutzern solche Podcasts gehört haben. In der Bundesrepublik ist die Auswahl jedoch noch sehr überschaubar. Vorreiter sind hierzulande Seiten wie » www.sushiradio.de, die nach eigener Aussage „feine Häppchen für die Ohren“ anbieten, vom Reisebericht aus Japan bis hin zu Features über junge Bands. Da die Werkzeuge, die man braucht, um Podcasts zu produzieren, leicht zu bedienen und erschwinglich sind, könnte sich in Zukunft eine vielfältigere Auswahl entwickeln.
Ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Radioprogrammen: Gefällt etwa die Moderation nicht, wird einfach vorgespult.Lesen Sie weiter auf Seite 4: Leim, der alles zusammenhält -->
RSS – Der Leim, der alles zusammenhält
Informationen gibt es im Internet ohne Ende. Wie Pilze schießen jeden Tag neue Online-Angebote aus dem Boden. Wie soll der normale User bei einer solchen Informationsflut noch den Überblick behalten? Schließlich ist es fast unmöglich, jeden Tag alle interessanten Websites zu besuchen. RSS heißt die Zauberformel. Das Dateiformat ermöglicht es, Nachrichten jeder Art auszutauschen.
Die Abkürzung RSS steht wahlweise für „Really Simple Syndication“ oder für „RichSite Summary“. Mit Hilfe des auf XML basierenden Formates lassen sich Nachrichten oder Website-Inhalte schnell und einfach übertragen. Losgelöst von Grafik und Design können RSS-Dateien plattformunabhängig gelesen und weiterverarbeitet werden. Immer häufiger findet man deshalb auf Webseiten kleine orangefarbene Icons, auf denen „XML“ oder „RSS“ steht. Mit einem Klick auf den Button lässt sich ganz unkompliziert ein so genannter „Newsfeed“ von einer interessanten Seite abonnieren. Auch Handelsblatt.de, tagesschau.de oder Spiegel Online bieten diesen Service bereits an.
Nötig zum auslesen der Daten sind allerdings nützliche kleine Helferprogramme mit klangvollen Namen wie Sage, Newsbee oder Thunderbird. Mit Hilfe dieser Reader lassen sich die Newsfeeds ansehen. Für den Nutzer liegen die Vorteile klar auf der Hand: Durch die Automatisierung muss er nicht mehr alle Seiten einzeln besuchen. Wie im Mailprogramm lassen sich Neuzugänge mit einem Blick identifizieren. Änderungen und aktuelle Inhalte lassen sich schnell prüfen, ohne die Site mit Grafik, Banner und anderen Elementen laden zu müssen.
Wikis – Kollektiver Wissensspeicher
„Eine einzelne Gehirnzelle kann nur wenig erreichen, Millionen miteinander verknüpft bilden ein riesiges Wissensnetz“, sagt Ronaldo, regelmäßiger Autor der offenen Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Wikis wie die Wikipedia sind Ansammlungen nach Themen sortierter Webseiten. Jeder Besucher kann zu jeder Zeit einzelne Beiträge online über ein einfaches Formular bearbeiten, ergänzen oder neue erstellen.
Das erste Wiki wurde 1995 von Ward Cunningham programmiert. Er nannte es WikiWikiWeb, abgeleitet von dem hawaiianischen Wort für „schnell“. Mittlerweile werden sie vielseitig eingesetzt: An Universitäten, in Unternehmen oder als allgemeines Wissensmanagement-Tool für Jedermann. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die schon erwähnte freie Enzyklopädie Wikipedia. Mit mehr als einer Million Beiträgen in rund 100 Sprachen ist sie mit Abstand das größte Wiki der Welt.
Auch fachspezifische Wiki-Communities finden großen Anklang. So werden zum Beispiel im Jura-Wiki rechtliche Themen diskutiert, im Linux-Wiki geht es hauptsächlich um Linux, freie Software und andere computerrelevante Themen. Wikis basieren auf einer neuen Form von Content-Management-Systemen. Damit auch Computer-Laien ohne HTML-Kenntnisse Beiträge einpflegen können, entwickelte Cunningham eine vereinfachte Syntax, die von der Wiki-Software in HTML umgewandelt wird. Zwar sind Wikis dadurch einfach zu bedienen und unabhängig von Raum und Zeit, jedoch besteht aufgrund eben dieser Offenheit die Gefahr des Vandalismus – destruktiven Änderungen einer Wiki-Seite. Dennoch leisten sie einen großen Beitrag für die Bildung und eröffnen völlig neue Wege der Kommunikation und des Wissensmanagements.